von HEIKE GRAF
Mitstreiter: Günther Frühmesser, Helmut Kopp, Klaus Eber, Heike und Stefan Graf
1. Tag: Nach einigen Startschwierigkeiten ging es dann doch um 4.30 Uhr in Augsburg los. Es regnete unterwegs wirklich in Strömen, aber die Stimmung war gut. Die Schweiz wollte uns nicht so schnell durchlassen, wie wir es eigentlich vorhatten – aber in der Ruhe liegt die Kraft. Nachdem dann in Frankreich auch für die Autobahn ans Meer ca. 40 km Stau angesagt waren, entschieden wir uns für die Route über Millau und konnten so auch die neue Brücke über den Tarn bewundern. Schon von weitem sahen wir die weißen Pilonen gen Himmel ragen. Fast schmal sah die Autobahn über dieser großen Schlucht aus, und so fuhren wir dann ganz unspektakulär darüber. Es dauerte gar nicht lange und wir sahen das Mittelmeer. Blau und ruhig lag es vor uns, und dann bauten sich im Dunst die hohen Berge links vor uns auf. Dort drüben, dort dahinter liegt unser Ziel – der Atlantik, dazwischen die Pyrenäen, unsere Aufgabe für die nächsten zwei Wochen.

Nach kurzer Suche fanden wir auch unser Quartier, ein uriges Bauernhaus mit netten Zimmern und einem tollem Abendessen (Salat mit Scampi, Lamm mit Kichererbsen, Käse und Aprikosenkuchen). Zum Abendessen bekamen wir dann den perfekten Französischkurs durch die Mitbewohner am Tisch, eine Gruppe Schweizer aus dem französischen Teil. Ich glaube, dass wir alle heute gut schlafen können, und hoffen dass morgen gutes Wetter ist.
2. Tag: Na, das mit dem gut Schlafen war so eine Wunschvorstellung – wir hatten Mücken im Zimmer. Doch um 8.00 Uhr gab es dann das Frühstück unter den Linden, das uns wieder für das schlechte Schlafen entschädigte. Das Wetter perfekt, warm, blauer Himmel, Sonnenschein, so stärkten wir uns für den heutigen Tag.
Den Einstieg fanden wir sehr schnell. Heute sollte es die „Tour des Châteaux“ werden. Wir bewegten uns immer in Richtung des höchsten Berges, des „Massiv de Canigou“ – dieser sollte unser Wegbegleiter für den heutigen Tag sein. Wir konnten die Blicke zu ihm von allen Seiten genießen. Nicht weit vom Meer entfernt, fuhren wir auf einsamen Straßen auf den ersten Hügelrücken über dem Meer. Links und rechts neben der Straße standen goldgelb blühende Ginsterbüsche, in allen Farben schillernde und leuchtende Blumen, mal klein, mal groß, einfach schön. Von einem Château zum nächsten radelten wir, beim Château Castelnou bogen wir links ab und wussten nicht so genau, ob die Straße wirklich asphaltiert weiter geht. Und doch hatte Stefan die Route wieder mal perfekt ausgearbeitet. Wir wechselten die Talseite und bezwangen den „Col de la Bataille“ mit sage und schreibe 265 hm. In Belesta fanden wir das idyllischste Restaurant, eingebaut in den Berg mit dem schönsten Ausblick. Hier wuchs aus einem Tisch der Baum, der uns Schatten spendete. Weiter ging es einsame Bergstraßen hinauf zum „Col des Auzines“ 605 hm, hinab durch eine stark bewaldete Schlucht, die Straße links am Berg klebend und wieder ’nauf. Ab Sournia wussten wir, es ist gar nicht mehr weit, doch hoch hinauf ging es noch einmal, an den höchsten Col für den heutigen Tag. Durch das Tal der wilden Rosen zogen wir einsam unsere Spuren, links und rechts wilde weiße Rosenbüsche und, darüber hinaus geschaut, gigantische Ausblicke auf die hohen Pyrenäenberge. Bis auf 976 hm mussten wir noch einmal hinauf auf den „Col de Roque-Jalère“, 976 hm, die Steigung relativ gemächlich, halt so richtig zum Einrollen für den ersten Tag.
Oben angekommen, schauten wir auf unser Ziel ganz weit unten im Tal, Prades, und wir freuten uns auf die nun kommende Abfahrt von mindestens 10 km. Doch leider war die Abfahrt total schlecht, der Asphalt so rumpelig, dass einem der Lenker bald aus der Hand rutschte, der Sattel tat am Hintern weh, und die Aussicht konnte man auch nicht recht genießen. Alle haben wir uns gefreut, dass endlich das Ortsschild Prades in Sicht kam, doch Prades war ganz schön groß! Wie sollten wir unser Quartier finden? Ach, jetzt radeln wir einfach mal weiter, um die nächste Kurve rum und mal links und rechts geschaut, wohin? Ja schaut doch mal grad aus, grins, wir standen genau vor unserem heutigen Quartier „Maison 225“. Ein sehr schönes und nach der Hitze vor allem kühles Haus, im englischen Stil neu renoviert, die Hausherrin eine richtige Irin, gebürtige Belfasterin. Unsere Renner standen in der Weinlaube, idyllisch unter den Reben. Zum Essen schwankten wir zwischen Pizza und einem französischen Restaurant. Das zweite konnte punkten, denn wir wollten nun doch das gute französische Essen genießen. Menü: Salat mit Apfel und Ziegenkäse, Dorade mit Kartoffeln oder Entenbrust mit Kartoffeln, Crème de Catalan, Vin rouge, café.
6:15 Std., 116 km, 18,9 km/h, 1955 hm.
3. Tag: Der heutige Tag fing mit einem gutem Frühstück an, und als erstes ging es den „Col de Jau“ auf 1506 hm hinauf. Wir haben gestern alle aufgegessen, so dass heute die Sonne vom Himmel strahlte und keine Wolke zu sehen war. Also fingen wir gleich wieder bei hohen Temperaturen an, den ersten Berg hochzustrampeln. Wir bewegten uns den ganzen Tag auf der „Tour de Parfum“ – im Anstieg kamen wir zu einem Ort, der wirklich aussah, als hätte der Film hier gespielt.

Ohne großen Autoverkehr zogen wir unsere Spuren, nein nicht im Schnee oder Sand, sondern auf dem Asphalt hoch gen Himmel. Vom „Col de Jau“, 1506 hm, ging es wieder richtig weit bergab, tief ins Tal hinunter, inmitten des wunderbaren Waldes, der uns heute noch länger Schatten spenden sollte. Leider waren die Abfahrten wieder so ruppig, dass sie keiner so richtig genießen konnte. Man musste echt aufpassen, dass es einem den Lenker nicht aus der Hand schlug. Auf schmalen Wegen lief es wieder hinauf zum „Col de Garavelle“, 1256 hm, links und rechts große Farne, grün und saftig, aber wenig Aussicht. Von ca. 800 hm mussten wir wieder rauf zum „Col de Moulis“, 1099 hm. Eigentlich dachten wir, dass wir diesen Pass geschenkt bekommen, doch dem war leider nicht so. Kaum ein wenig runter in den dichten Wald eingetaucht, kam der Abzweig zu unserer heutigen Prüfung. Von ca. 800 hm ging es wieder hinauf auf den „Col de Pailheres“ auf 2001 hm.

Eine Message für Radler, noch dazu hatten wir dort mindestens 40 Grad. Er lag voll in der Sonne, die Luft stand wie im Ofen, steil ging es in die Rampen. Bis zur Skistation war der Pass rau und steinig, links gurgelte ein glasklarer Bach durch die Bergwiesen. Doch das dicke Ende sollte erst noch kommen. Wenn man nach oben schaute, dachten wir, es muss doch dort oben irgendwo eine Scharte kommen, es kann doch nicht sein, dass wir ganz dort hoch drüber müssen. Und doch, unsere Befürchtung wurde wahr. Allerdings haben die Straßenbauer wunderbare Serpentinen in die Wand gebaut, die es uns Radlern doch ein wenig einfacher machte. Oben am Pass angekommen, bekam jeder von uns einen großen Applaus von einem spanischen Paar, das auf der Passhöhe stand und uns Radler bewunderte. Als wir alle fünf dann oben standen, strahlten wir mit der Sonne um die Wette – Beweis ist das Pass-Foto. Die Aussicht war gigantisch, jetzt lagen die wirklich hohen Berge vor uns. Die Passabfahrt war auch nicht besser als die vorigen, und in Ascou angekommen, entschieden wir uns, noch die 450 hm zum „Col de Chioula“, 1431 hm, hinaufzuradeln. Unspektakulär, aber immer schön im Schatten, ging es absolut gleichmäßig den Anstieg nach oben. Wir hofften alle inständig, nun endlich die letzten Höhenmeter für heute fahren zu müssen. Langsam wurde es auch ein wenig spät, und wir hatten noch immer ca. 20 km bis zu unserem Ziel. Den „Col de Marmare“, 1361 hm, bekamen wir geschenkt, und genau an diesem Pass fanden wir den Abzweig fast nicht, da die Straße so klein war. Ab jetzt bewegten wir uns auf der „Straße der Gurken“ – dachten wir, doch wurden wir später berichtigt, dass es die „Straße der Schneewächten“ ist.
Tief unter uns im Tal lag in der orangefarbenen Abendsonne Caussou, und es ging für uns mit dem Rad immer weiter bergab. Es gab keinen Berg mehr vor uns, wir fuhren ein nach Axiat und schon standen wir vor unserem Quartier „Le Genade“. Unsere Hausdame Meredith stand mit dem Handy in der Hand da und sagte: „Ich habe gerade die Polizei angerufen und nachgefragt, ob sie sechs Radler gefunden hat, die verdurstet sind.“ Oben in den Bergen, auf 1000 m, ein Steinhaus mit einem hübschen Garten. Zuerst gab es ein frisches Panaché, dann eine Dusche und ein tolles Abendessen. Vorab einen Aperitif, eine feine Leberpastete, Nudeln mit Fleisch von jungen glücklichen Kälbern (die bei ihren Familien auf der Alm leben dürfen), danach Käse „des Pyrénées Le Pedrets“ vom „Col de Four“, und dann gab es auch noch einen süßen Nachtisch. Als wir gefragt wurden nach einem Schnaps, verpackten wir dies in „Firewater“ und bekamen ein gutes hausgemachtes Verdauerli. Unsere Wirtin, eine geborene Amerikanerin, lebte dann in England und hat nun ein Haus hier in den Pyrenäen, und das nur, weil genau hier ihr Auto gestreikt hatte und kaputt gegangen ist. Wunderbar, mit viel Liebe zum Detail renoviert, war unser Haus mit schönen Zimmern. Heute konnte, glaub’ ich, jeder gut schlafen. Geplant waren heute eigentlich 102 km mit ca. 2.500 hm, aufgrund der schlechten Höhenmeterangaben in den Karten wurden es jedoch:
7:40 Std., 154 Herz, 14,3 km/h, 3300 hm, 116 km.
4. Tag: Heute war ein Ruhetag geplant, was Helmut und Günther auch befolgten und mit unserer Wirtin den Markt und eine einsame Quelle besuchten. Klaus, Stefan und Heike konnten das Radeln nicht lassen. Die Wirtin schlug uns eine Tour vor, immer am Fluss Aston entlang, in das Tal zum „Pic du Col de Gos“, dieses Tal wäre von der Landschaft und den Ausblicken her etwas ganz Besonderes. Allerdings hatte ich schon da die Befürchtung, dass es heute doch auf den legendären Touranstieg hoch geht, zum „Plateau de Beille“, 1780 hm. Und so war es; Klaus und Stefan standen unten am Schild und die Räder zogen hoch, und ich konnte nur noch rufen: „Fahren wir nun doch auf das Plateau de Beille?“

Mit herrlichen Ausblicken auf Aix-les-Thermes und auch auf den Höhenzug mit unserem Quartier und vor allem ohne Rucksack fuhren sich die 1200 hm doch ganz zackig. Vorbei an französischen Radlern, die mit den Schuhen in der Hand und in Socken die Straße hochwanderten, zogen wir unsere Spuren. Je höher es ging, umso schöner wurden die Ausblicke, und immer öfter kam von unten ein Auto mit zwei Rädern hinten drauf. Die Sockenläufer wurden eingesammelt, und die trafen wir dann oben auf dem Parkplatz, wo sie uns Beifall klatschend erwarteten.

Das „Plateau de Beille“ ist eine reine Ski- und Wanderstation, und doch gab es das beste Baguette mit Käse und Schinken für uns. Nach der endlich einmal rasenden Abfahrt, denn die Straße ist ja richtig breit, gönnten wir uns noch einen Kaffee. Danach mussten wir ein kurzes Stück auf der Bundesstraße überbrücken, bevor wir eine sehr kurvenreiche Strecke nach Axiat vor uns hatten. Wieder in der Abendsonne, fuhren wir Tritt für Tritt den relativ gleichmäßigen Anstieg nach Lordat nach oben und hatten dann nur noch 2 km vor uns. Wir freuten uns schon die ganze Zeit auf unser schönes Quartier und das Abendessen. Hühnchenschenkel mit Linsen und Kartoffeln mit Fenchel, Dattelkuchen mit selbstgemachten Eis, Feuerwasser.
3:40 Std., 60,0 km, 16,5 km/h, 1705 hm

5. Tag: Heute mussten wir uns leider von unserer lieben Gastgeberin verabschieden.
Weiter über die „Straße der Schneewächten“ zogen wir los, immer auf etwa 1000 hm über dem Tal. Nachdem wir ja gestern ohne Rucksack unterwegs waren, hat man ihn schon ziemlich gespürt. Das Wetter war etwas wolkig, und doch zeigte sich ab und zu die Sonne. Auf ganz kleinen Straßen ging es kurz darauf bis ganz hinunter ins Tal, wo wir doch rasch den Einstieg fanden zum „Col de Lers“, auf Anraten von Meredith sollten wir in Vicdessous beim Bernard Rast machen und einen Kaffee trinken. Später stellten wir fest, dass wir genau in dieser Bar bereits vor drei Jahren unseren Kaffee getrunken hatten. Heute gab es gleich einen großen Teller mit Nudeln und Fleisch, und wir staunten nicht schlecht, als es anfing zu regnen.

Doch es war nur ein kurzer Schauer, und gleich darauf packten wir wieder auf und machten uns in den Anstieg zum „Col de Lers“, 1517 hm. Das war vielleicht ein steiler Pickel, und das von Anfang an! Allerdings war es bis fast oben sehr schön schattig. Ausblicke gab es vorerst nicht, doch das sollte sich sehr schnell ändern. Auf ca. 1200 hm öffnete sich der Pass und wir fuhren auf eine wunderbare Gebirgsformation zu, teils noch schneebedeckt, tiefdunkle Gipfel und etwas darunter saftige dunkelgrüne Wiesen. Vom Pass aus ging es diesmal nur kurz bergab, und wir sahen schon von oben unseren nächsten Anstieg. Auf der Hochebene gab es noch einen Kaffee, den wir gleich mal ausnutzten, um einen weiteren Regenschauer auszusitzen. Nun hieß es noch ca. 300 m hinauf zum „Col d’Agnès“, 1580 hm.

Wir tauchten ein in ein Nebelmeer. Günther zog vor mir seine Bahn und verschwand. Er war einfach weg, eingetaucht in die wabernde Nebelmasse. Schade, denn diesen Pass hatten wir mit einer sehr schönen Aussicht in Erinnerung. Am Pass wurde nur schnell die Anzugsordnung geändert, denn es fing wieder an zu regnen. Wir machten uns auf die letzte Abfahrt, und durch den Nebel fuhren alle sehr sehr vorsichtig, bis auf den Fotografen, der eine kritische Situation heraufbeschwor...
Im Hotel „Hostellerie de la Terrasse“ in Aulus-les-Bains angekommen, fing es wieder an zu regnen, das Tal mag uns einfach nicht. Zwei Sixpacks und drei Packungen gesalzene Erdnüsse förderten die Stimmung, und das Abendessen machte auch wieder gute Laune. Törtchen mit Gemüse, Suppe, Fleischpastete mit Gratin und Pudding mit Karamelsoße.
3:45 Std., 70,1 km, 18,7 km/h, 1450 hm.
6. Tag: Heute Nacht hat es eigentlich dauergeregnet. Geschlafen haben wir gut, die Ruhe war vorgebucht. Das Frühstück war sehr gut, nur mit den Eiern hat’s unser Wirt nicht so gekonnt, oder wir haben ihm die falsche Kochzeit angegeben. Doch kein Problem, aus den gekochten wurden Rühreier und allen hat’s geschmeckt. Als wir aufgesattelt hatten, ging es sofort auf den ersten Col hinauf. Noch mit recht gutem Wetter liefen die ersten 360 hm im grünen Wald recht flott.

Am „Col de Latrape“, 1520 hm, wurde nur ein kurzes Pass-Foto geschossen, da die Wolken immer dichter wurden und es arg nach Regen aussah. Unser Weg führte uns weiter durch sehr arme Bergregionen, wo neben verfallenen Häusern auch tolle neu gebaute Ferienhäuser standen, durch das „Vallée d’Ustou“. Der Fluss gurgelte immer rechts oder links neben uns her und wir fuhren mit dem Wasser um die Wette. Kaum in Seix angekommen, ging es schon wieder in den nächsten Pass zum „Col de Core“. Heike und Stefan mussten feststellen, dass die Region hier einfach ihre schöne Seite nicht so recht zeigen will. Vor vier Jahren schon Regen und jetzt wieder tiefhängende Wolken. Am „Col de Core“ fuhren wir nun ein, in die Wetterküche der Pyrenäen, die sich heute als Hexenküche herausstellen sollte. Schon im unteren Teil waberten wieder die Nebelwolken um uns rum. Auf den Armen waren die Härchen mit klitzekleinen Wassertropfen übersät, dass es aussah wie kleine Diamanten. Ein einziges Glimmern und Glitzern auf den Armen.

Am Pass angekommen, hieß es erst mal trockene Sachen anziehen, Rucksäcke trocken einpacken und an der Startlinie Aufstellung nehmen. Fünf Mann standen da, vier Mann mit Rucksack, und ein Rucksack stand einsam und verlassen unter dem Passschild... Die Aussicht konnte man leider nicht genießen, nur die verschiedenen Formen der Wolken, die hochgezogen kamen.
Auf der Abfahrt fing es an zu regnen, und wir waren alle richtig triefend nass. Das Tal „Vallée de Bethmale“ entlang lief es dann ruhig nach draußen, und sobald wir die Höhe verlassen hatten, war es wieder trocken. In Castillon-en-Coserans wurde in der Boulangerie eingekehrt, Kuchen gekauft und mit einem Kaffee verputzt. Kaum im Anstieg zu unserem dritten Col, dem „Col de Portet d’Aspet“, 1069 hm, fing es wieder an zu regnen, und nun regnete es wirklich heftig. Der Anstieg ist nicht allzu schwierig. Zuerst fährt man ein Tal hinein, und erst auf den letzten drei Kilometern muss man sich dann doch anstrengen, hier geht es nun richtig zur Sache. Die Abfahrt der anderen Seite ist sehr, sehr steil, das Schild zeigte oft 17% Gefälle. In der letzten Kurve der Abfahrt standen wir dann vor dem Denkmal für Fabio Casartelli, der hier bei der Tour de France 1995 gestorben ist.

Eine Kurve weiter und er wäre in den nächsten Anstieg eingefahren... manchmal ist das Leben doch so ungerecht. Kurz darauf ging es steil bergan in den Anstieg zum „Col de Mente“ auf 1349 hm. Dies war neben dem „Col de Pailhères“ der bisher schönste Passanstieg. Steil, mit vielen Serpentinen und Kurven, tollen Ausblicken auf das Tal.

Günther hat in seinem Tritt auch eine große Herde Hirsche und Rehe gesehen, und oben am Pass erwartet uns ein Rudel Huskies. Die Abfahrt war kurz und knackig bis St-Béat, danach ging es über eine größere Straße bis nach Marignac, wo wir wieder auf die einsamen Anstiege hinauf in die Berge, weg vom Lärm, wechselten. Über kleinste Straßen fanden wir unser bisher schönstes Quartier in Guran. Wir wurden buchstäblich bewirtet wie Gott in Frankreich. Es gab als Aperitif Vin de Noix, Soufflée mit Käse aus Sost (der Region), Cassoulet au confit de canard (überbackener Linseneintopf mit eingemachtem Entenfleisch), selbstgebackenen Brot, Käse, Pêche Melba. Jetzt sitzen wir an einem großen Tisch mit 10 Plätzen und haben ganz toll mit den Gastgebern gegessen. Es ist kühl, es regnet nicht, und es gibt Mückennetze vor den Fenstern!
6:30 Std., 143 Herz, 109 km, 17,1 km/h, 2755 hm
7. Tag: Als wir heute die Fenster öffneten, gab es am Himmel schon den einen oder anderen blauen Fleck. Wir konnten endlich die Aussicht auf den wunderbaren Gletscher vom Frühstückstisch genießen. Es gab selbstgemachte Zucchini-Marmelade, und Helmut hat sich genau erklären lassen, wie diese Marmelade gemacht wird. Helmut, alle Pyrenäenfahrer warten auf einen Topf! :-)) Unsere Wirtin war sehr um unser Wohl besorgt, hatte über Nacht unsere nassen Radklamotten gewaschen und fein säuberlich aufgehängt. Der wunderbare Garten roch total nach Lavendel, es gab weiße Callas, wunderbar aufgeblüht und einen tollen Rasen, auf dem Roxanne und Bébé herumtollten.

Stefans Hinterrad gerichtet und mit einem neuen Reifen versehen, Klaus seine Schaltung neu eingestellt, und schon ging es nun bei Sonnenschein los. Wir hatten gestern halt doch alle aufgegessen, obwohl das wirklich nicht einfach war! Bis hinunter nach St-Béat ließen wir es rollen, und danach kam die Bundesstraße, welche wir uns ja alle viel, viel schlimmer vorgestellt hatten. Die Lkw überholten vorbildlich und ließen uns Radlern Luft zum Leben. Es dauerte gar nicht lang, und wir standen vor der Grenze zu Spanien. 25 km führte heute unsere Route durch Spanien, die Städte sahen nicht viel anders aus als in Frankreich, und kurz vor dem Anstieg zum „Col de Portillon“ gab es im Kreisverkehr noch die Begegnung mit der spanischen Polizei, die schwer bewaffnet eine Straßensperre eingerichtet hatte. Stefan fand’s witzig, die spanische Polizei eher nicht; nach kurzer Diskussion durften wir allerdings dann doch weiter. Der Anstieg zum „Col de Portillon“ war recht gut zu fahren und angenehm von den Steigungsprozenten. Ausblicke auf das Tal hinein nach Spanien waren einfach gigantisch, dieses Tal war von Bergriesen gesäumt und streckte sich weit hinein nach Spanien.

Diese Ausblicke machten den Anstieg kurzweilig und belohnten für die Mühen. Als zum Foto Aufstellung genommen wurde, schossen drei Columbia-Fahrer um die Ecke, die sich als Engländer entpuppten. Das Woher und Wohin wurde schnell geklärt, und schon schwangen sie sich wieder in die Sättel. Oben am Col angekommen, fuhren wir wieder ein nach Frankreich. In Bagnères-de-Luchon fanden wir den Radhändler auf Anhieb, das Geschäft sah nach wie vor chaotisch aus. Danach ging es sofort in den Anstieg zum „Col de Peyresourde“, 1569 hm, der komplett von Anfang an in der Sonne lag. Die ersten Kilometer hatten wir extrem steil in der Erinnerung, das mussten wir revidieren, denn der ganze Col war so steil! Und doch müssen wir sagen, als der Pass sein Gesicht gezeigt hat, als wir das Ziel sahen, war es zu spät, der Pass hatte verloren.

Oben angekommen, gab es die Crêpes-Kneipe nach wie vor, nach drei Dutzend Crêpes wurde die Bestellung eingestellt, da „das Bestellen mehr Energie verbraucht hat als wir durch das Essen erneuern konnten“ (Günther). Nun ging es hinein in unsere letzte Prüfung für heute, wir konnten sie am gegenüberliegenden Hang schon sehen.

Vorbei an der Sturzstelle von Jan Ullrich führte unser Weg auf der Abfahrt Richtung „Col d’Azet Val Louron“, 1580 hm, zu Heikes Angstberg. Doch er wurde von allen mit Bravour gemeistert. Im unteren Teil mit großen Bäumen versehen, konnten wir endlich mal im Schatten radeln. Unten im Tal ein großer Badesee, der uns hervorragende Ausblicke verschaffte. Am Abzweig zur Skistation angekommen, wurde es endlich ein wenig flacher, der untere Teil hatte Durchschnittssteigung von 10% und mehr. Oben angekommen, hatten wir einen gigantischen Ausblick auf den Anstieg zum „Pla d’Adet“, 1680 hm, der morgen, zum Ruhetag, auf dem Programm stand. Die Abfahrt nach St-Lary Soulan war ein Genuss, oft sah es von hinten aus, als würden Stefan und Klaus im Nichts verschwinden, als die Straße wieder einen Bogen machte und es steil nach unten ging. Im Hotel gab es ein paar Anlaufschwierigkeiten, die dann doch ganz gut behoben werden konnten. Nur unser zahnloser Ober ärgerte uns, den konnten wir für Freundlichkeit nicht gewinnen, so dass wir morgen in einem anderen Restaurant buchen werden. Jetzt sitzen wir im Dörfchen in der Bierkneipe und trinken einen guten Wein. Das Essen war bis auf den Käse und den Nachtisch nicht der Rede wert.
5:40 Std., 147 Herz, 95,2 km, 16,9 km/h, 2385 hm.
8.Tag: Heute stand wieder ein Ruhetag auf dem Programm. Gestern abend hatte ich noch groß getönt: „Ich mach’ morgen auf keinen Fall eine Umdrehung mit dem Rad“, und doch musste ich bereits beim Frühstück feststellen, dass der Anstieg zum „Pla d’Adet“ unheimlich lockte. Meine Beine sagten indes etwas ganz anderes. Es wurde beratschlagt. Helmut wollte einen Radhändler suchen, der ihm sein Hinterrad reparieren konnte, Günther wollte sich pflegen, Stefan und Klaus wollten auf jeden Fall den Tour-de-France-Anstieg hinauf; ja, und was mach’ ich? Ich wollte doch auch unbedingt auf das „Pla d’Adet“, und es dauerte gar nicht lange, und auch ich nahm den Berg unter die Pedalen. Der Anstieg hinauf zur Skistation war sehr, sehr steil, die ersten Kilometer zeigten schon auf der Karte immer einen Doppelzack, immer 10% Durchschnittssteigung auf den ersten 8,5 km. Die Straße ist wunderbar in den extrem abfallenden Berghang hineingebaut, ab dem ersten Kilometer hat man die schönsten Ausblicke auf den Ort und den darüber liegenden Anstieg zum „Col d’Azet Val Louron“, der weit hinauf über die grünen Wiesenhänge zu sehen war. Im unteren Teil begleitete uns ein Adlerpaar. Einer der beiden schwebte immer in perfekter Eleganz über dem Tal, die Schwingen ausgebreitet, nur mal den kleinen „Finger“ nach links oder rechts oben gezogen, um die Richtung zu ändern, der andere direkt über uns, so dass ständig ein Schatten auf der Straße unseren Weg begleitete. Sie begleiteten uns genau so lang, wie wir zu nah an ihren Adlerhorst herankamen, danach flogen sie wieder als Paar hoch über unseren Köpfen. Das „Pla d’Adet“ ist ohne Rucksack ganz gut zu fahren gewesen, mit rundem Tritt sind wir alle drei oben angekommen, und dort gab es nicht mal eine Bar, in welcher wir eine Cola trinken konnten. Also kurz verweilt und ein paar Fotos gemacht und schon stachen wir wieder auf die Abfahrt.

In einer der letzten Kurven vor dem Tal kam uns ein Gruppetto Spanier entgegen, alle im gleichen Hemdle, fuhren sie schon in den ersten zwei Kurven ein Rennen in den Berg. Ich dachte nur, Mensch Leute, der Anstieg ist noch lang, wenn ihr jetzt schon rumzupft. Der eine oder andere sah schon ziemlich schlecht aus. Später sollten wir feststellen, dass sie im gleichen Hotel untergekommen sind und mit einem großen Begleitauto unterwegs waren. Unten im Tal suchten wir eine nette Bar, um ein Baguette zu bekommen. Wir landeten letztendlich bei einem sehr freundlichen und cleveren Restaurantbesitzer. Obwohl unsere Frage nach einem Baguette mit nein beantwortet wurde, bot er uns sofort das Tagesmenü inkl. Wasser, Wein und Kaffee an. Wir nahmen an und fanden damit unser Restaurant für den Abend. Es gab ein ganz tolles Mittagsmenü mit Salat, Blutwurst mit Mauke und warmen Kartoffelstücken, Ananaskuchen mit Kokos. Ich hätte mir nie im Traum einfallen lassen, dass ich so was mal im Restaurant esse, und es war wirklich super gut. Stefan und Klaus hatten mit diesem Essen neue Kraft getankt und nahmen einen weiteren Anstieg unter die Räder, sie stiefelten los zum Zielanstieg der Tour de France, zum „Piau-Engaly“, 1860 hm.

Eine harmonische, gleichmäßige Straße, frisch geteert, als ob morgen dort die Tour hinaufrollen sollte, ließ die Höhenmeter weniger hart erscheinen als am ersten Anstieg zum „Pla d’Adet“, und doch läpperten sich die Höhenmeter zusammen. Unten im Tal fuhren Stefan und Klaus im Wald, die Berge links und rechts rückten nah heran und bildeten zum Greifen nahe den Abschluss am Horizont. Erst nach der Durchquerung eines Flussbettes, man meinte, man fährt durch eine kalte Dusche, ging es dann in den Schlußanstieg zur Skistation, doch diese kam wirklich erst ganz ganz spät in Sicht, und man konnte die Landschaft in ihrer ursprünglichen Schönheit genießen. Helmut, Günther und später auch Heike verbrachten den Nachmittag am Pool und genossen einfach die Ruhe vor dem morgigen Tag, dem Tag mit dem „Dach unserer Tour“ – morgen geht es über den höchsten Berg unserer Tour, den Tourmalet. Jetzt sitzen wir in unserem Restaurant „L’Authentique Vigne Cois“ auf der Terrasse, orangefarben geht die Sonne über dem „Pla d’Adet“ unter, und wir können beobachten, wie am gegenüberliegenden Berg der Schatten nach oben kriecht. Es ist 22.30 Uhr, und alle sitzen noch im kurzem Hemd und kurzer Hose auf der Terrasse bei einem guten Glas Rotwein. Der Wirt war sehr nett, und das Essen ist nur zu empfehlen. Zwar hatten wir ein kleines Verständigungsproblem mit dem „Filet de Truite“, Günther war sich sicher, das ist Fleisch, und alle staunten nicht schlecht, als der Teller mit der Forelle auf dem Tisch stand. Aber es war gut. Als wir den Weg nach Hause nahmen, sahen wir über den Bergen ein ziemlich heftiges Wetterleuchten. Wir hoffen auf schönes Wetter.
1:55 Std., 139 Herz, 25,7 km, 13,4 km/h, 870 hm, 2005 hm.
9. Tag: Heute wurden wir unsanft geweckt, der Feueralarm im Hotel ging um 7.10 Uhr mit großem Getöse los. Alle Spanier standen unten auf der Straße, die Deutschen warteten erst mal ab, was denn nun passiert. Es hat nicht gebrannt, Gott sei Dank. Draußen zeigte der Himmel nicht unbedingt seine beste Seite. Wir waren in den Wolken, und als wir unsere Renner aufgezwirbelt hatten, nieselte es leicht. Schnell fanden wir den Einstieg bis nach Arreau, wir umfuhren die Bundesstraße und konnten das Tal über eine kleine Straße, die direkt am „Neste“ verlief, verlassen. Aufgrund der Wettersituation kam uns der Fluss schon ein wenig reißender vor, was die Wildkajakfahrer, die in die Fluten stiegen, natürlich genossen. Wir wechselten die Flussseite und stiegen ein in den Anstieg zum „Col d’Aspin“, 1489 hm.

Der Anstieg war absolut gleichmäßig und gut zu fahren und eigentlich ein riesiger Wiesenbuckel, und doch sah keiner von uns irgendetwas. Wir fuhren in den Wolken, und immer stärker fing es an, aus diesen zu tropfen. Vor uns waren Opfer! Die spanische Gruppe aus unserem Hotel. Sie hatten heute den gleichen Weg, doch sie fuhren ohne Rucksack und mit Begleitbus, welchen wir später noch schätzen lernen sollten. Oben am Pass angekommen, wollten wir uns schnell anziehen und den unwirtlichen Ort verlassen, doch nun öffnete der Himmel seine Schleusen und es goss in Strömen. Die Spanier riefen, und wir durften mit in den großen Bus, um mit ca. 20 spanischen Radfahrern den Regen auszusitzen. Wir bekamen zu trinken und konnten uns im Trockenen umziehen. Es dauerte nicht lange und wir waren aufgedresst mit allem, was der Rucksack hergab, und los ging’s.

Schon kratzten die Bremsen, mit Sand versetzt, wieder an der Felge, der Schmutz spritzte die Füße hoch, vom Vordermann ins Gesicht des Nachfahrenden, und die Finger wurden klamm. Die Berge zeigten heute ihre ungastliche Seite. Wir waren froh, endlich in Marie-de-Campan, dem Einstiegsort zum Tourmalet, angekommen zu sein, und nahmen gleich die einzige offene Bar in Beschlag. Kaffee wurde bestellt und die Regenklamotten getrocknet, draußen beobachteten wir die spanischen Radler, die in kurzer Hose und kurzem Trikot die Abfahrt runterkamen und gleich wieder hoch zum Tourmalet stiefelten. Wir beratschlagten, sollen wir vielleicht doch um den Tourmalet radeln und nicht darüber? Hin und her wurde beraten, und auf einmal fanden wir die heutige Zeitung, um dort nach dem Wetter für morgen zu schauen. Stefan las uns vor, dass heute das Profiradrennen „Tour de Sud“, ausgerechnet heute, genau über unsere Route führen sollte, hoch hinauf über den Tourmalet. Bergankunft war geplant um 15.30 Uhr, und wir benötigten ja auch noch eine gewisse Zeit bis nach oben. Von nun an gab es keine Frage mehr, keine Diskussion, fahren wir um den Tourmalet herum? Nein, es wurde eindeutig beschlossen, hoch geht es nun bergauf. Also wurde es recht kühl, denn jeder zog sein eiskaltes, tropfnasses Trikot und die Regenjacke an, und schon befanden wir uns im Anstieg zu unserem „Dach der Tour“, dem „Col du Tourmalet“, 2115 hm. Im unteren Teil sahen wir noch ein wenig, doch es dauerte gar nicht lange, und man konnte keine 30 m weit nach vorne schauen, die Autos fuhren mit Nebelschlussleuchte an einem vorbei und machten teils die Warnblinker an. Von den wunderbaren Ausblicken ins Tal, die wir ja bereits kannten, konnten unsere Mitradler leider gar nicht profitieren. In „La Mongie“ angekommen, konnte man den Weg der Straße nicht mehr erkennen, und der eine oder andere wollte auf die großen Parkplätze einbiegen.

Hier oben standen schon die ersten Zuschauer, die uns sofort Applaus spendeten und „bon courage“ zuriefen. Kurz nach dem Ort kam von hinten plötzlich ein Auto mit großen Lautsprechern an mir vorbeigeprescht, der auf französisch in die großen Lautsprecher trötete. Meine Tritte wurden immer schneller, ich dachte, jetzt kommt gleich der Führende und ich will diesem doch am Pass begegnen. Der Anstieg wurde immer kurzweiliger, Anfeuerungen von links und von rechts, die Prozente waren hier oben etwas angenehmer und die Kilometer zur Passhöhe immer weniger. Man hatte nun stets das Gefühl, die Sonne sticht gleich durch die weißen Nebelwolken, und wirklich, links oben sahen wir auf einmal eine Bergspitze herauslugen. Der letzte Kilometer war der schönste, wir wurden mächtig angefeurt, ein Franzose schob uns den Berg hinauf, wie bei der Tour de France, und dann kamen unsere Spanier. Als ob wir die ersten Profi wären, wurden wir angefeuert, immer wieder kamen die „Pinarello“-Rufe, und ich fuhr immer schneller, bis endlich die Ziellinie, unter dem silbernen Radlerdenkmal, in Sicht kam.

Oben war schon alles abgesperrt, und doch erklärten uns die Polizisten, dass die Profis noch gut eine Stunde benötigten. Wir warteten, vergnügten uns mit der Ankunft der Werbekarawane, und endlich kam aus dem Nebel der Führende in Sicht. Die Profis, die dieses Rennen mitfuhren, konnten wir nur als Spargeltarzane betiteln. Oben über den Passstrich, zogen sie sich schnell eine Regenjacke an oder steckten eine Zeitung ins Trikot, und schon ging es auf die Abfahrt. Wir sollten später noch erfahren, wie schwierig diese heute zu meistern war. Eine dreiviertel Stunde mussten wir auf den Letzten und damit auch auf den Besenwagen warten. Dann gab’s noch einen Kaffee, und wir machten uns auf den Weg zu unserem Tagesziel „Argèles-Gazost“. Wir fuhren ein in die Nebelsuppe, Stefan tastete als erster den Weg für uns ab und wir waren alle froh, nicht dort vorn als erster fahren zu müssen. Wie am Schnürle aufgereiht, fuhren wir nun im strömenden Regen durch die Wolken, den Tourmalet hinunter. Erst in Luz-St-Sauveur auf ca. 800 hm waren wir durch die Wolken durch, und die Straße war mit einem Mal absolut trocken. Jetzt fragte keiner mehr, wollen wir noch hinauf nach „Luz-Ardiden“? Alle wollten wir nur noch trockene Füße haben und im Quartier ankommen. Bis dahin konnten wir jedoch noch eine wunderbare Abfahrt durch die „Gorges de Luz“ genießen, die mit wilden Felsformationen talwärts zog. In Argèles angekommen, fand Stefan sofort den Weg zum Hotel, und wir waren angenehm überrascht, denn es war neu renoviert, und es gab „Liebe auf den ersten Blick“ und nicht wie beim letzten Besuch erst auf den zweiten. Unsere Wirtin war so nett und hat unsere dreckigen Radklamotten in die Waschmaschine gesteckt und eine Empfehlung zum Essen ausgesprochen. Und die Überraschung schlechthin, wir hatten das größte Bett der Tour, 180 cm Breite.

Wir liefen in den hübschen Ortskern ins Restaurant „La Forge“ und aßen sehr guten Salat, Pizza spezial französisch bzw. „Montagnarde“ (Crêpes aus Roggenmehl mit Kartoffeln, Speck, Zwiebeln) und als Nachtisch flambierte Crêpes und wieder einen sehr guten Wein. Wieder haben wir alle aufgegessen und wissen nun ganz genau, morgen wird wieder gutes Wetter.
5:45 Std.; 141 Herz; 93 km; 18,4 km/h; 2115 hm.
10. Tag: Heute morgen schien nicht die Sonne, nein, eigentlich sah es eher nach Regen aus. Naja, auch kein Problem, denn heute war ja Ruhetag. Also gab’s erst mal ganz gemütlich um 9.00 Uhr Frühstück. Helmut brachte sein Rad zum Radltandler und hoffte, dass ihm nun endlich Hilfe nahte. Wir anderen besorgten uns ein paar alte Lumpen und betrieben gemeinsam Radpflege im Hotelgarten. Die Räder sahen sehr schlimm aus nach unserer gestrigen Regenfahrt. Als alles wieder einigermaßen sauber war, hatte sich das Wetter noch immer nicht gebessert. Wir zogen los ins Städtchen Argèles-Gazost und konnten an unserer Pizza einfach nicht vorbei. Dann kamen doch ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolken, und Stefan, Günther, Klaus und Heike wollten die Fahrt ohne Rucksack genießen und nahmen doch noch den Anstieg nach „Hautacam» unter die Räder. Steil von Anfang an, Prozente immer bei Durchschnitt 10, gab uns der Anstieg jedoch immer tolle Ausblicke.

Stetig durch steile Wiesenhänge, auch immer mal wieder durch ein Örtchen, wurde es uns nicht langweilig. Gegenüber das „Val d’Azun“ und die hohen Berge um den „Pic de Midi“.

Weiter oben warteten die Kuh- und Schafherden, die wild über Straße und Weide liefen, die Radler interessierten sie nicht die Bohne. Die letzten Meter von „Hautacam“ zum „Col de Tramassel“ führten durch rosarot blühende Heidesträucher. Oben war es empfindlich kalt, und doch machten wir an der Bar Halt, tranken einen guten Kaffee und zogen alles an, was wir dabei hatten. Ich war schon froh, dass ich meine Regenhose in der Trikottasche mitgenommen hatte und diese gegen den Wind und die Kälte anziehen konnte. Auf der Abfahrt auf einmal Stau – und diesen Gott sei Dank rechtzeitig erkannt! Wir konnten um die Kurve rum nur noch kräftig die Bremsen ziehen, denn die Rinder und Kälber sahen ja gar nicht ein, warum sie für die Radler ihre Straße räumen sollten. Also hieß es absitzen und warten, bis die Straße frei wurde.

Nach der Abfahrt radelten wir nochmals zum Radladen, um unsere Renner checken zu lassen. Stefan ließ sein Vorderrad, dessen Lager defekt war, reparieren, und der Pinarello bekam eine neue Schaltungs- und Bremseneinstellung. Der Mechanikus wusste ganz genau, wo er hinlangen musste. Wir waren noch nicht ganz fertig, kam ein weiterer Radler daher. Helmut, der in Lourdes für uns alle eine Kerze angezündet hatte, kam mit seinem Renner daher, um nochmals die Kette schmieren zu lassen. Seinen Defekt am Hinterrad hatte der Mechanikus mit seinen perfekten Schrauberkünsten behoben. Unsere Wirtin bot uns an, uns zur altbekannten Auberge „La Boic“ zu fahren. Erneut saßen wir auf der Terasse und genossen das gute Abendessen. Allerdings müssen wir sagen, dass uns das Essen im „La Forge“ diesmal mehr zugesagt hat. Nach Hause ins Hotel wurde gelaufen und im Garten noch ein Bierchen getrunken.
2:25 Std., 142 Herz, 42 km, 17,8 km/h, 1220 hm.
11. Tag: Heute mussten wir das schöne Hotel verlassen und uns bezüglich der Einquartierung auf neue Wege begeben. Von Argèles-Gazost ging es gleich über eine sehr steile Rampe raus aus dem Ort, und schon befanden wir uns im „Val d’Azun“.

Heute ist Sonntag, das heißt, jeder Franzose, der ein Rennrad besitzt, ist im Anstieg zum „Col de Soleur“ unterwegs. Den „Col de Soleur“ hatten wir beide, Stefan und ich, nicht so steil in Erinnerung, wie er dann wirklich war. Die Schilder zeigten immer 8 bis 10%. Die Ausblicke auf das Tal und die darüber liegenden schroffen Berge, die im unteren Teil tiefgrüne Wiesenhänge zeigten und in den schroffen Rinnen der Felshänge noch Altschnee aufwiesen, waren im blauen Himmel wunderbar anzusehen. Jedoch, am Pass angekommen, zeigten sich wieder Wolken und Nebelfetzen am Himmel. Vom „Col de Soleur“ aus konnten wir die eindrucksvolle Passstraße zum „Col d’Aubisque“ am Hang kleben sehen.

Diese Straße ist in der Nacht gesperrt und darf mit dem Auto nicht befahren werden. Links von uns die schroffe Felswand, rechts neben uns der Abgrund, lediglich ein ca. 30 cm hohes Mäuerchen, Steine, 30 mal 30 cm, und dazwischen nichts weiter als Luft.

Von dieser Straße aus konnten wir tief unter uns den zweiten Anstieg zum „Col de Soleur“ sich den Berg hinaufschlängeln sehen. Hinauf zum „Col d’Aubisque“ zogen unsere Spuren wieder in den Nebel. Vor vier Jahren sind wir hier bei 30 Grad heraufgeradelt und haben uns dann in die Wiese gelegt und von der Sonne bescheinen lassen. Bei ca. 12 Grad war uns dies heute leider nicht vergönnt. Die Abfahrt konnten wir auch nicht besonders genießen, da die Straße frisch ausgebessert war, und das hieß hier in den Pyrenäen, ein bisschen Teer auf die Straße gießen, Kieselsteine drauf und fertig. Man sah vom Rad aus nicht, ob die Kieselsteine lose auf der Straße lagen oder fest verbunden waren. Ein Straßenschild zeigte uns, dass wir 30 km vor Spanien waren, wo wir morgen wieder eine ganze Ecke durchradeln sollten. Wir mussten aber noch über einen Pass drüber – den „Col de Marie Blanque“, bis dahin konnten wir die Bundesstraße meiden und radelten auf einer kleinen Seitenstraße direkt neben einen Flüsschen durch hübsche französische Dörfer und freuten uns über die farbenfrohen Häuserfronten. Links am Berg sahen wir den Einstieg zum Pass – und keine Brücke war in Sicht; da die Straße aussah wie ein Feldweg, hatten wir den Abzweig verpasst. Also hieß es das erste Mal umdrehen und ca. 5 km zurückradeln. Aber nun war schnell der richtige Weg gefunden, und los ging es zu unserem heutigen Zielanstieg. Durch den Ort zog sich recht steil die Straße nach oben, bevor sie einbog in ein herrliches Hochtal, und da heute Sonntag war, war hier die Hölle los. Die französische Familie mit Mann und Maus war unterwegs oder lag im Campingstuhl und sah uns Radlern zu, wie wir den Anstieg forsch unter die Räder nahmen. Auch heute dachten wir, wo geht dieser Pass noch hin? Denn dort, wo wir auf der Hochebene unterwegs waren, dort zeigte der Berg eigentlich nicht, dass es noch weiter nach oben geht. Und doch, das bittere Ende sollte erst noch kommen. Es ging weiter mit über 10% hoch hinauf, bevor wir das Passschild erreichten. Dort trafen wir auf eine Gruppe aus dem Berchtesgadener Land, welche in Gegenrichtung unterwegs war, jedoch mit einem großen Bus und Hänger. Lächerlich, das sind ja richtige Warmduscher, Helmut hat ihnen das auch ganz klar gesagt.

Vor vier Jahren war am Col die Straße noch ungeteert, diese hatte man nach der letzten Tourüberfahrt zwar geändert und die ersten 3 Kilometer mit einwandfreiem Belag versehen. Ich dachte schon, super, die schlechte Abfahrt, die schlechteste die wir bisher abgefahren sind, die gibt es nicht mehr. Falsch gedacht, nach 3 Kilometern kam der gleiche Rubbelbelag, nichts war ausgebessert, die schlechteste Straße schlechthin, das Material der Räder wurde getestet.
Heute bewegten wir uns aus den ganz hohen Pyrenäenbergen hinaus, aus den wilden und schroffen Bergpässen, hin zu den grünen saftigen Hügeln. Nicht sofort fanden wir in Lurbe St-Christau unsere Bleibe für die Nacht. Zuerst standen wir vor dem Alternativhotel, welches einen nicht gerade einladenden Anblick bot. Das Hotel „Thierry Lassala“ war jetzt auch nicht gerade der Hit, aber dafür konnten wir zuerst, noch in der Abendsonne sitzend, ein Panaché genießen.

Das Essen allerdings, im Gegensatz zu unseren Zimmern, war ein Gedicht. Der Gruß aus der Küche: Schnecken mit Knoblauch, Lachs mit Kaviar an Spargelsalat, Schweinefilet mit Kartoffeln und Paprikagemüse, Panna Cotta mit Erdbeeren und Zitronensorbet!
5:10 Std., 146 Herz, 94 km, 18,1 km/h, 2175 hm.
12. Tag: Nachdem wir hungrig waren, gestern Abend noch nach Schinken, Käse und Rühreiern gefragt hatten, gab es wenigstens Käse und Schinken – jedoch nur gegen Aufzahlung. Bis zum Anstieg zum „Col de Marie Blanque“ fuhren wir zurück, weiter vorbei und erneut auf einer Bundesstraße ein kleines Stück in die Berge hinein, bis zum Einstieg in den „Col d’Ichère“. Dieser Pass ging „nur“ von 370 hm auf 680 hm, die Steigungsprozente zeigten an den Schildern nichts Besonderes, und doch waren sie steiler als die großen Pässe, denn es ging immer ein Stück bergan und dann wieder ein Stück nach unten. Die Anstiege allerdings fielen dadurch immer sehr steil aus und haben ganz schön wehgetan. Wieder hatten wir sehr schlechten Straßenbelag, aber es sollte noch viel schlimmer kommen. Der Anstieg fühlte sich sehr heimelig an, wir kamen uns vor wie im Allgäu.

Sanfte Wiesenhänge, grüne Wiesen, weit oben die Kuhherden und zwischendurch schlängelte sich das Passsträßchen. Bei der Planung wussten wir nicht, wie weit wir denn wieder abfahren müssen, da dies aus der Karte einfach nicht herauszulesen war. Mitten in der Einsamkeit standen wir an einer Kreuzung und staunten nicht schlecht, dass es zum „Col de Labays“ 16 km hinaufgehen sollte und über 900 hm vor uns lagen. Unten im Einstieg ließen wir die Blicke gen Himmel schweifen, und über uns kreisten richtig große Greifvögel – auf den Karten hier in den Pyrenäen sind auch immer Weißkopfadler abgebildet, vielleicht hatten diese uns ja in der Einsamkeit der Berge gefunden und warteten nur auf den Sonntagsschmaus? Die Schwingen ausgebreitet waren sie mindestens zwei Meter groß, wenn nicht größer. Die Straße wurde extrem schlecht, nur noch drei Meter breit ging es immer weiter hinein in den Berg. Oft fragten wir uns, wo soll die Straße eigentlich noch hingehen? Schön schattig, eindrucksvolle Steinformationen und extrem, wirklich extrem steil zog sich diese kleine Straße den Berg hinauf. Der Weg wurde immer steiler, immer kleiner, und wenn wir nach oben schauten, wussten wir nur, wir fahren gen Himmel.

Auf dem ganzen Stück trafen wir kein einziges Auto. Es dauerte leider auch nicht lange, zogen unsere Tritte wieder in die Wolken. Oben am Pass angekommen, war die Sonne weg, und es wurde schnell empfindlich kalt. Der „Col de Labays“ war nicht das Ende des Berges, weiter ging es ca. 400 hm auf den „Col de la Pierre St-Martin“ hinauf, zum Glück weiter hinauf und nicht wieder bergab. Wir wussten ja nicht, ob wir zwischen den Pässen nicht doch noch mal runter ins Tal müssen. Die 13 km, die es nun stetig bergan ging, boten auch leider keine Ausblicke, da wir im Nebel hinauffuhren. Allerdings konnten wir sehen, dass sich hellgraue Steinformationen links und rechts des Weges türmten und der Pass immer schroffer wurde.

Oben angekommen, hätten wir nun eigentlich nach Spanien einfahren sollen – doch es hing eine dicke Eisenkette mit einem großen Schild über der Straße, und einen Bewacher hatten die Spanier noch dazu gestellt. Wenn der dort nicht gestanden wäre, ich bin mir sicher, die komplette Gruppe wäre mit dem Rad über die Absperrung geklettert und hätte die Abfahrt in Angriff genommen. Doch der Bauarbeiter ließ nicht mit sich reden, aber er machte wenigstens noch ein Foto, wie wir aufgestrapst mit allen warmmachenden Klamotten, die Stelle des Ärgernisses verließen.

Wir mussten umplanen, kamen heute nicht mehr nach Spanien und fuhren auf der französischen Seite der Grenze den Pass hinunter, was den Vorteil hatte, dass wir nun auf der Abfahrt doch einige Ausblicke auf die Landschaft genießen konnten, und die Sonne kam auch noch raus. Später am Abend sollten wir alle geschlossen sagen: „Es war doch ganz gut, dass die Straße gesperrt war“ – wir hatten auch so wieder über 2000 hm auf dem Tacho, und heute waren es wirklich sehr schwere Höhenmeter. Wir bewegten uns hier im richtigen Baskenland, die Namen der Orte sagten dies ganz klar. Vom „Col de Saudet“, 1540 hm, fuhren wir wieder ein paar Kilometer ab, die Straße nicht breiter als drei Meter, aber erneut extrem steil abfallend bis zum „Col de Sustousse“, 1216 hm, den wir auf der Abfahrt geschenkt bekamen. Die weitere Fahrt ins Tal muss irgendwann bei der Tour dabei gewesen sein, die Straße war mit den Namen der Tourhelden bemalt, und wir fragten uns schon, wie kann man diesen gemein steilen Pass im Renntempo hochfahren? Am Fluss „Uhaitxa“ entlang ging es hinein in eine lieblichere Landschaft, die Berge links und rechts waren einfach nur grün, saftiges Dunkelgrün. Zwischendurch lasen wir immer wieder „Gorges“ angeschrieben, wo die Franzosen zum Wandern gehen. In der Abfahrt machten wir halt in einer kleinen Bar, Besitzerin war eine Baskin, die uns einen guten Kaffee machte und wo wir, in der Sonne sitzend, unsere Glieder wieder einigermaßen aufwärmen konnten. Die letzten 3 Kilometer zum geplanten Quartier ging es erneut steil bergan, mit über 10% mussten wir uns unser Abendessen schwer erarbeiten. Es gab ein baskisches Abendessen: La Soupe Paysanne, Salade Campagnarde, Lasagne de Xamango und Le Fromage de Larrau et sa Confiture de Fruits Rouges (Nachtisch für die vier Herren) bzw. Profiterolles mit Schokoladensoße (Nachtisch für Heike, um den mich alle beneideten). Das Hotel war auch sehr sauber, und wir waren überrascht, dies hier in den einsamen Bergen zu finden.
5:15 Std., 143 Herz, 81 km, 15,7 km/h, 2280 hm.
13. Tag: Heute morgen schien die Sonne wieder vom strahlend blauen Himmel. Wir spachtelten um 8.00 Uhr das Frühstück mit der besten Himbeermarmelade der ganzen Tour. Die Rucksäcke wurden geschnürt, und laut Karte hätte es eigentlich sofort aus dem Ort heraus bergan gehen müssen, doch es kam anders. Ein paar Höhenmeter fuhren wir hinunter ins Tal, und uns schwante Böses. Die Berge ringsum waren grünbemooste Farnriesen, teilweise schauten ein paar Felsen hinaus, aber ansonsten nur sattes Dunkelgrün. Am Einstieg zum Pass „Col de Bagargi“, 1327 hm, stand zum Glück kein Schild, aber er zog stetig an und wurde steiler und steiler.

Wir dachten, das kann doch eigentlich nicht sein, so kann es doch nicht weiter gehen und das gibt es doch nicht, dass dies dort oben wirklich die Passstraße sein soll. Aber wir wurden eines besseren belehrt, es wurde noch schlimmer mit den Steigungsprozenten, und die Straße, die wir oben am Bergrücken queren sahen, war wirklich unser Anstieg. Ab 3 km vor Schluss stand endlich ein Schild, doch was stand da drauf? Der nächste Kilometer war mit einer Durchschnittssteigung von 12,5% angegeben. Und so ging es den kompletten Berg hinauf. Es waren insgesamt 9,5 km mit einer Durchschnittssteigung von 12%, abgesehen vom letzten Kilometer. Ich dachte, ich werd’ nicht mehr, vor diesem Pass sollte man auf jeden Fall einen Ruhetag machen. So einen steilen Pickel hatten wir auf unserer ganzen Tour nicht zu bewältigen. Die armen Profis, die diesen Berg auch schon unter die Pedale nehmen mussten, dies sahen wir an den Straßenaufschriften, denn die müssen ja im Renntempo hier hoch.

Die Kühe links und rechts schauten uns mit großen Augen ungläubig an. Oben angekommen hieß es wieder mal alles anziehen, was der Rucksack hergibt, und auf mit heißen Reifen auf die Abfahrt. Laut Karte sollte nun ein mindestens ebenso giftiger, aber nur 2,5 km langer Anstieg folgen. Die Landschaft veränderte sich zusehends, es standen Bäume am Straßenrand, an der linken Seite plätscherte ein Bächlein durch die Wiesen. Uns kamen wieder einmal ein paar Radler entgegen. Als wir den zweiten Anstieg unter die Räder nahmen, sah die Straße gar nicht so steil aus, wir bewegten uns nun in nicht mehr so grünen Bergen, sie waren eher braun getönt und mit rosa blühenden Heidekräutern bewachsen. Der Pass hatte nichts, aber auch gar nichts mit der Steilheit unseres ersten Passes gemein. Am Passübergang warteten die nächsten Geier, aber nicht die Geier der Straße, nein die Geier oben am Himmel. Es kreisten wieder mal fünf Stück über uns. Was dann folgte, war gigantisch.

Eine Abfahrt hinunter ins Tal, vom „Col de Burdincurucheta“, von 1135 hm auf fast null, feinster Asphalt und Ausblicke ringsum, die einem den Atem stocken ließen. Große grüne, runde Bergriesen, dazwischen tief eingeschnittene Täler, an den Hängen hellbraune Rinder und langzottelige Schafe.

Wie im Tiefflug nahmen wir fünf VCLer die Abfahrt in Formation unter die Räder, fuhren vorbei an schmucken weiß-roten Baskenhäusern, die mit ihrem Blumenschmuck eine echte Schau waren. Im nächsten Ort wurde auf dem Marktplatz Halt gemacht und ein üppiges Baguette verputzt, um Kraft für den folgenden Anstieg zu bekommen, an diesem ging es nun wieder mal über die Grenze nach Spanien. Der Anstieg war im Gegensatz zu unseren vorherigen wirklich einfach, mit ca. 5% Durchschnittssteigung lief es flott, und ruck-zuck waren alle oben. Der Blick zum Himmel zeigte uns jetzt keine Geier, sondern zwei Adler, die uns von oben beobachteten. Unser kurzer Abstecher nach Spanien brachte uns auf die perfekteste Straße unserer ganzen Tour.

Auch hier waren die baskischen Häuser picobello, die Gärten sauber und gepflegt. An der Westernbar nahmen wir noch einen Kaffee und konnten nicht mal mit Spanisch punkten, aber die Dame hinter der Theke hat uns auch so verstanden. Und schon wieder ging es bergauf, allerdings nun auf einer spanischen Bundesstraße, allerdings ohne großen Verkehr. Oben angekommen, am Pass „Otxondo“, 602 hm, fuhren wir drüber und sahen das erste Mal den Atlantischen Ozean.

Ein tolles Bild, welches uns allerdings auch ein wenig wehmütig stimmte, denn uns allen war nun klar, die Tage sind gezählt, der Atlantik ist unser Ziel. Noch in Spanien, haben wir Cervesa Grande im Supermarkt eingekauft, da das Bierle hier in Spanien doch wesentlich günstiger war als in Frankreich.

Danach suchten wir unser Quartier und wurden schnell fündig. In Aihona, dem baskischen Rothenburg o.d.T., hatten wir im Hotel „Argi Eder“ gebucht und mussten feststellen, dass wir in diesem Hotel doch eher ein paar Exoten waren. Aber wir hatten sehr schöne Zimmer und trafen uns nach der Dusche zusammen am Pool, wo jeder ein frisches Bad nahm und sich dann auf die Liege in den Garten zum Schlafen legte.

Das Essen nahmen wir im Feinschmeckerrestaurant ein, und Günther und Helmut boten ihren ganzen Charme auf, damit wir alle genügend Brötchen bekamen. Vorspeise: Forellen-Mousse mit einem Stück Räucherlachs, Hauptspeise: Entenfilets mit Kartoffelscheiben, Nachtisch: Halbgefrorenes mit Schokoladenfäden.
5:20 Std., 138 Herz, 97 km, 18,1 km/h, 2040 hm.
Letzter Radtag: Heute frühstückten wir wieder im Freien, direkt neben dem Pool. Die Sonne zeigte nochmal ihre beste Seite und es gab zum ersten Mal auf unserer ganzen Tour Rührei zum Frühstück. Es wurde das letzte Mal der Rucksack geschnürt und das letzte Startfoto geschossen, und auf ging es zur Abfahrt ans Meer nach Biarritz. Über kleine Straßen, vorbei an typischen baskischen Häusern lief es nun fast ausschließlich bergab.

Wir bemerkten allerdings, dass die Autofahrer nicht mehr ganz so geduldig waren wie oben in den Bergen. Gleich in der Einfahrt nach Biarritz fanden wir noch einen kleinen baskischen Markt, wo nebenan auch die Touristinfo noch geöffnet hatte. Gleich wurde ein Ortsplan organisiert und geklärt, wo unsere Unterkunft ist. Nur 6 km waren wir entfernt und sind daher perfekt eingeflogen. Unser Haus „Nerococoa“, ein gepflegtes baskisches Herrenhaus, stand in einem fast parkähnlichen Garten. Die Zimmer wurden bezogen und danach der Rucksack für den Strand geschnürt, und los ging es wieder. Zuerst einmal an den Flughafen, der nur 2 km von unserem Quartier entfernt ist, zu Europcar. Nach unseren Erfahrungen in Nizza wollten wir schon mal vorfühlen, ob das mit dem Auto alles ok. sein würde.

Danach haben wir uns per Rad Biarritz angeschaut und nahmen an der „Grande Place“ Platz, nur um kurz darauf zu erfahren, dass es hier nur Essen gibt, Kaffee erst in 5 Minuten; aus den 5 Minuten wurde mindestens eine Viertelstunde und wir hatten noch immer keinen Kaffee, also gingen wir und haben uns einen anderen Wirt gesucht und bekamen auch ein gutes Baguette.

Danach wurde der Strand unsicher gemacht und wir sind alle im Atlantik baden gegangen. Angeschaut haben uns die Badegäste schon ein wenig komisch, da wir ja aussahen wie die Streifenhörnchen. Unsere Wirtin empfahl uns dann ein schönes Lokal direkt am Strand, die „Bounty“, und da saßen wir und haben einen wunderschönen Sonnenuntergang im Meer beobachten können. Vorspeise: Muscheln oder Serranoschinken, Hauptspeise: Gambas oder Entrecôte, Nachspeise: Il Flotane.
Stefan: Die abwechslungsreichste und spannendste Tour mit den größten kulinarischen sowie landschaftlichen Höhepunkten und der besten Organisation, danke dafür!
Klaus: für mich war es eine unbeschreibliche schöne Reise, ich hatte das Gefühl, es ist wie ein Höhenflug, von einem Gipfel zum nächsten. Es war ein Traum – und doch Wirklichkeit. Danke allen die dabei waren, es war Wahnsinn!
Helmut: In der Vorausschau war für mich die Pyrenäenfahrt eine gewaltige Herausforderung, in der Rückschau war sie in jeder Beziehung ein reines Vergnügen. Teilnehmer und Organisation waren super!
Günther: Neben der sportlichen Herausforderung, die so eine Gebirgsdurchfahrung darstellt, und den unvergesslichen Landschaftseindrücken, die man dabei gewinnt, waren für mich zwei Dinge von besonderer Bedeutung und Erinnerungswert. Wir hatten Unterkünfte mit besonders netten Gastgebern, bei denen ich meine französischen Sprachkenntnisse auffrischen konnte, und zweitens, in diesen zwei Wochen herrschte immer eine super Stimmung zwischen uns fünf Pyrenäenfahrern, und das Letztere gibt mir ein gutes Gefühl.
Heike: Eine ganz besondere Reise durch traumhafte Landschaften mit tollen Quartieren, kulinarische Erlebnisse vom Feinsten und natürlich eine ganz große sportliche Herausforderung. Doch mit vereinten Kräften haben wir diese gemeistert. Danke nochmal an alle für diesen unvergesslichen wunderbaren Urlaub.