Freitag, 27. Mai 2011

Wieder mal Italien

Von GERT RANNER

Schon den alten Goethe zog es nach Italien. Nicht dass wir auch dichten wollten, nein, wir – das sind Uli, Ritch, Horst und Gert – sind zum Rennradfahren runter in den Süden, genauer gesagt nach Riccione. Für die erste Maiwoche war für uns im Hotel Dory gebucht. Und Uli hatte auf seinem neuen Garmin-GPS wirklich schöne Touren runtergeladen. So z. B. zur Furlo-Schlucht, einem gigantischer Canyon.


In der Furlo-Schlucht

San Marino bei Nebel war ein Erlebnis der besonderen Art. An diesem Tag fuhren wir mit dem Auto rauf, da es morgens geregnet hatte. Doch am Nachmittag saßen wir schon wieder im Sattel.
Eine Tour führte durch die drei Regionen Emilia Romagna, Toskana und Marken. Hier konnten wir unsere Kletterfähigkeiten beweisen, da eine Straße total aufgerissen war. Na ja, die Schuhe mussten halt gesäubert werden.


Eine Nicht-Straße

Der Aufstieg nach nach San Leo war uns von früheren Fahrten ja bekannt und immer wieder schön. Auch Kräftemessen mit anderen Radgruppen waren mal angesagt.


Interessante Strecken

Wir schnitten nicht schlecht ab. In den Radgeschäften in Cattolica und Bellaria suchten wir uns nach einer Küstenfahrt gedanklich unsere Traumräder aus, kauften aber doch nur Klamotten.
Nun könnte man noch Kilometerangaben, Höhenmeter, Pässe und Orte in den Bericht reinschreiben. Doch dürfte das die Außenstehenden nicht so interessieren, und wir Dabeigewesenen wissen: Faulheit konnte man uns nicht nachsagen. Und das Wichtigste: Kein Sturz, kein Unfall.

Dienstag, 15. März 2011

Winterurlaub im Sommer

Von DIETER LEIB

Wer denkt in unseren Breiten schon Ende Januar an den Sommer? Dabei sind warme Temperaturen näher als so mancher denkt. Wie wäre es mit den Kanarischen Inseln? Beispielsweise Lanzarote. Zum Radfahren wahrscheinlich sogar die beste der Kanaren. Die Insel besitzt einen ziemlich rauen Charme, der vielleicht nicht jedermanns Sache ist. Aber: beeindruckende Lavafelder, liebevoll gepflegte Weinreben, anmutige Palmenhaine, die ein Gefühl vermitteln, als sei man in der Sahara, das hat schon etwas.
Unsere VCL-Truppe machte sich von zwei verschiedenen Flughäfen auf, um das Eiland zu erkunden. Lockten doch 25 Grad – also kurzes Trikot und kurze Hose.
Die Anreise war leider etwas beschwerlich. So machte uns der Flugkapitän beim Anflug mit seiner Aussage Mut, man könne zurzeit in Lanzarote nicht landen. Aber hallo! Sturm und Regen – so hatten wir uns das nicht vorgestellt.
Nach etlichen Warteschleifen in der Luft erreichten wir doch glücklich, aber müde unser gebuchtes 4-Sterne-Hotel. Der Tatendrang war selbstverständlich ungebrochen, also die erste Tour musste her. Diese sollte nur eine kleine Runde werden. Wie gut, denn wir bekamen gleich einen Vorgeschmack dessen, was uns in Lanzarote erwartete. Ziemlich starker Wind und kaum ein flaches Stück. Dafür war es aber angenehm warm. Zwei Stunden später trafen wir im Hotel auf unsere mittlerweile ebenfalls angekommenen Vereinskameraden.
Abendessen um 19 Uhr – so ziemlich das Wichtigste. Wie soll man bitteschön sonst jeden Tag stundenlang strampeln? Es sollte ein vorzügliches Abendessen werden – eigentlich ein Glücksfall. Bei der Vielzahl der Speisen kann man nicht nein sagen, aber unserem Trainingsfleiß kam dies sehr entgegen.
Die nächsten beiden Tage verhielt sich das Wetter nicht ganz nach unseren Wünschen. Es war zwar warm, aber sehr windig. Hatte sich doch ausgerechnet jetzt ein Tiefdruckgebiet über den Kanaren ausgebreitet.
Helmut und Walter waren die Kurssetzer – hatten sie doch die größte Erfahrungen mit der Insel. Die Straßen auf der Insel sind in einem hervorragenden Zustand. Aber nicht alle – und die bevorzugte Helmut auch.
Wahrscheinlich wollte er uns unbedingt beweisen, daß man mit einem Vollcarbonrad auch über MTB-Strecken fahren kann. Aber alle nahmen es mit Humor. Wir waren aber auch eine gut abgestimmte Truppe von acht Leuten. Eigentlich die ideale Besetzung.
Wer waren eigentlich "wir"? Die acht Pedalritter waren Helmut, Walter Böß, Herbert, Walter Hillringhaus, Manuel, Werner, Christoph und Dieter.
So vergingen die Tage wie im Fluge. Wir radelten sämtliche Teile der Insel ab und begnügten uns auch nicht mit dem bloßen Verzehr von Müsliriegeln. Der obligatorische Kaffee-und-Kuchen-Halt erfreute sich großer Beliebtheit. Auch hier kam uns die Erfahrung von Helmut und Walter zu Gute. Sie kannten einfach die besten Stopps.
Nach einer Woche hieß es wieder Abschied zu nehmen. Im festen Bewußtsein, ein paar gute Tage verbracht zu haben, gingen wir die Heimreise an. Daheim erwarteten und dann -4 Grad – aber das ist ein andere Geschichte.
Zu guter Letzt bleibt ein Dank für die hervorragende Organisation und die tolle Kameradschaft an alle Teilnehmer. Vielleicht gibt es im nächsten Jahr eine Wiederholung?

Herbert hat eine Menge Fotos (etwa 150) online gestellt. Deshalb wird auf eine Aufnahme in den Blog verzichtet. Unsere Lanzarote-Touren und die Fotos sind online erreichbar über die VCL-Homepage (GPS-Touren) oder direkt hier. Fotos von Dieter und Herbert sind in Album 1 und Album 2 zu finden. Die Fotos wurden in der Auflösung 1600 x 1200 hinterlegt. Zur Vollbildansicht kann optional "Toggle to Full Screen" (Symbol rechts oben) und unter View => Borderless Slide Show genützt werden.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Transalp Oberstdorf–Gardasee, 25. Juli 2010

Von HEIKE GRAF

1. Tag
Oberstdorf – Schrofenpass – Warth-Lech – Freiburger Hütte


Mit dem Zug ging es früh um 7 Uhr los in Richtung Berge. Umsteigen in Buchloe, und schon fing der Stress an. Doch zum Glück waren wir schneller als die Schaffnerin, sie sah nicht, dass wir die Räder einluden, und eröffnete uns sofort: „An der nächsten Station müsst ihr gleich wieder aussteigen!“ Nach langer Diskussion durften wir bis Immenstadt im Zug sitzen bleiben. Laut Bahn werden pro Zug nur noch acht Fahrräder mitgenommen, und in Kaufbeuren hat sie wirklich sieben Leute draußen stehenlassen. Zum Glück waren wir aber schon drin im Zug.

In Oberstdorf haben wir erst mal einen schönen Cappuccino getrunken, und los ging's in Richtung Rappenalpental, in dessen Anschluss unsere erste Prüfung lag – der Schrofenpass, 1889 hm.
Durch den Regen vom Vortag standen die Almen voller Wasser, tiefe Furchen zogen durch die Wiesen und wir sahen ganz genau, wo unsere Vorgänger unterwegs waren. Es hieß aber auch, sofort absteigen und schieben. Die Reifen hingen voller Matsch, sobald das Pedal nach unten ging, stand man mit dem halben Fuß darin.

Igitt! Doch dann kamen die Felsen und wir mussten eh schieben. Auch bei unserem respektvollen Blick nach oben in die Felswand sahen wir hoch über unseren Köpfen Rucksäcke mit gelben Regenhüllen ihre Räder schleppen. Mensch, war das weit oben, dort müssen wir hin. Am Felseinstieg war ein Schild angebracht mit der Aufschrift für Radler: „Bike auf die linke Seite kommst Du drüber – Bike auf die rechte Seite heißt abstürzen!“ Es ging stetig nach oben, über Metallleitern, Trittstufen, das Bike teilweise auf dem Rücken oder auf der Schulter tragend, war dies eigentlich schwerer als die Auffahrt mit dem MTB per Umdrehungen.

So mussten wir 560 Höhenmeter bewältigen. Doch damit nicht genug, oben angekommen, ging es genauso schlimm und unfahrbar die gleichen Höhenmeter wieder nach unten. Auch der Schlamm war der gleiche wie auf der anderen Seite, auch hier hatte es am Vortag in Strömen geregnet.

Rutschig, dreckig und wirklich eklig. Nachdem dieses Schlüsselstück geschafft war, konnten wir uns im „Holzgauer Haus“ mit Spagetti stärken. Doch wir hatten unser Ziel noch nicht erreicht. Es ging nach Warth und weiter nach Lech auf der Strasse, und dort sind wir in Richtung Formarinsee abgebogen und damit auch in Richtung Freiburger Hütte, 2200 hm. Fast unwirklich zog sich das schmale Teerband durch die wunderbare Landschaft, die uns nun stark an die Pyrenäen erinnerte. Keine hohen Bäume mehr, nur noch kniehohe Latschen, oben an den Gipfeln frischer Schnee und hier unten die rosa blühenden wilden Gebirgsblumen am gurgelnden, blau schimmernden Lech. Wir waren ja nun immer am Lech entlang unterwegs, um bis zum Ursprung zu finden. Der Asphalt hörte irgendwann auf, und weiter ging es auf einer sehr schönen und auch prima fahrbaren Forststrasse. Ein, zwei Serpentinen, und schon standen wir oberhalb vom Formarinsee und konnten gegenüber unser heutiges Ziel sehen.

Tiefblau lag unter uns der See, ziemlich kalt zog nun der Wind um die Gipfel, und wir machten uns auf die letzten Höhenmeter.

Exklusive Zimmer warteten auf uns ;-) Doppelzimmer mit Waschbecken oder Doppelzimmer mit Seeblick…
Nach der Dusche, die sogar warm war, ging's uns gleich besser, und es gab ein richtig gutes Abendessen mit Salat, Gulasch mit Spätzle und Schokopudding. Der Hüttenschlafsack ist ausgebreitet und wir hoffen auf eine ruhige Nacht.
4:25 Std., 145 Durchschnitt Puls, 47,6 km, 10,8 km/h, 1585 hm, 14 Grad Durchschnitt

2. Tag
Freiburger Hütte – Kristbergsattel – Silbertal – Heilbronner Hütte


Für die Größe der Betten haben wir doch recht gut geschlafen, es war auf jeden Fall ruhig. Und da es auf den Hütten nur bis 8 Uhr Frühstück gibt, klingelte schon um 7 Uhr der Wecker, für uns eine unwirtliche Zeit. Das Thermometer war auch nicht gerade lustig anzuschauen, es zeigte gerade mal 3 Grad Celsius an.

Nach einem guten Frühstück zogen wir an, was der Rucksack hergab, und starteten auf eine steile, schottrige Abfahrt. Doch es sollte nicht lange dauern, mussten alle vom Rad, es hieß schieben. Steil und nass ging es nun weiter, immer wieder lagen große Felsbrocken im Wald. Mal wurde das MTB oben drüber, mal links, mal rechts vorbei geschoben, es war eine einzige Schinderei, obwohl es bergab ging. Kurze Stücke über Wiesenhänge wurden zum Rollen genutzt. Doch auf einmal rollte vor mir ein Radler den Hang hinunter, schlug zwei Saltos, und ich hatte schon Angst, dass er nicht zum Halten kommt – aber zum Glück war nach den zwei Saltos Schluss. Dann wurde erst mal das Rad sortiert und wieder aufgebiked. Es dauerte schon recht lange, bis wir endlich wieder auf den Bikes sitzen konnten, und vom Bergabschieben waren wir nassgeschwitzt. Doch dann rollte es mal ordentlich hinunter.

Unten im Tal mussten wir einen Technikstopp einlegen: am Rad von Klaus tat die Schaltung keinen Mucks mehr. Machen konnten wir gar nichts, und er musste letztlich mit Defekt weiterfahren. Steil strampelten wir, kaum im Tal angekommen, wieder bergauf zum Kristbergsattel, 1486 hm, auf einem Forstweg, sehr gut befahrbar. Auf der Hälfte des Anstiegs kam Stefan auf einmal auf Michaels Rad daher. Doch der Tausch sollte leider nicht viel bringen. Oben am Sattel mussten wir den ersten Ausfall verschmerzen, Michael wollte und konnte nicht mehr. Nach zwei Stunden und nur 700 hm hat er das Handtuch geschmissen und eröffnete uns, dass er versucht einen Zug zu bekommen und morgen in Ramosch wieder zu uns zu stoßen. Er drehte um und fuhr zurück ins Tal um sich zu erholen und vielleicht morgen Richtung Schweiz weiterzuradeln. Wir dagegen konnten nun eine gigantische Abfahrt vom Kristbergsattel, 1486 hm, genießen. Alles schnell fahrbar, ohne Schotter, man konnte es rollen lassen. Einfach klasse, es hieß das MTB so richtig genießen und es runterknattern lassen. Oft ernteten wir die bewundernden Blicke von den Wanderern, die im letzten Augeblick von der Piste hüpften. In der Hasahüsli-Hütte haben wir bisher die beste Einkehr gehabt. Und es war warm! Mitten in der Hütte stand ein uriger Kamin, an dem wir unsere nassen Socken trockneten.

Wir saßen nun mit nackigen Füßen in der Hütte, und es gab einen riesigen Kaiserschmarrn, deftig und richtig gut. Aber das Beste waren die netten Wirtsleute, die den Klaus einfach schnell mal in ihr Auto laden und ins nächste Dorf zum Radreparieren fahren wollten. Aber der hat sich weiter wacker durchgekämpft und blieb mit seinem Defekt. Nach der tollen Abfahrt ging es nun über ein kleines Brückle drüber und schon wieder ganz jäh bergauf. Schräg laufende Wasserrinnen und Prozente, die das Vorderrad immer wieder leicht nach oben zogen, weil hinten der Rucksack runterzog, waren nicht einfach zu fahren. Jetzt wurden wir nicht nur von unten nass, sondern der Himmel schickte wieder mal einen Schauer aus den Wolken. Zur Heilbronner Hütte waren ab hier 6,5 Std. zu Fuß angeschrieben, von Radfahren stand an diesem Schild nun mal gar nichts. Wir fuhren nun lang, lang durch das Silbertal, stetig bergan. Rechts von uns das Bächle, immer wieder mal ein See, tiefdunkel, von Tannen und dichtem Grün umgeben. Wir haben uns vorgestellt, wie es in der Sonne aussieht. Aber da die Sonne nicht da war, werden wir dieses Tal immer in besonderer Erinnerung haben. Auch die Begegnung der besonderen Art wartete noch auf uns. Es dauerte schon ein paar Kilometer, da saß ein Murmeltier, rechts, drei Meter von uns weg.

Es hat sich gar nichts geschissen, ist einfach weiter da sitzen geblieben, hat nach links und rechts geschaut und wir konnten in aller Ruhe unsere Fotos schießen. Doch nach ein paar weiteren Kilometern von der steilsten Sorte konnten wir nicht mehr fahren. Ab hier war in der Karte eine gepunktete Linie eingezeichnet, und wir mussten erneut schieben. Es ging nun durch das Hochmoor, von der Freschalpe bis zu den feuchten Wiesen am Langen See, was uns schon angekündigt war, ca. 1880 hm hoch. Hochmoor war auch der richtige Ausdruck, unsere Bikes versanken teilweise bis zur Nabe im Morast. Irgendwann stand ich auch mit meinem Schuh darin – angenehm war das nun wirklich nicht. Putzen mag ich sie heute Abend auch nicht. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Steile Anstiege, nur noch das Rad tragen möglich, so dass ich mir manchmal dachte, "toll, mein Rad steht nun zwar schon oben, aber wie komme ich nun auch noch da hoch?" Die Hände immer am Lenker, dann auf jeden Fall die Bremse ziehen und dann den Rest, das heißt Heike und Rucksack hochschaffen. Irgendwie hat es dann doch immer wieder geklappt. Unsere Schuhe waren nass, nässer und tropfnass. Im Kopf hatte ich schon manchmal die Frage, "was mach ich hier eigentlich, hier ist es schon schwierig in Bergschuhen hochzulaufen – geschweige denn in Radschuhen für Klickpedalen und mit Rad und Rucksack". Die Knochen und Sehnen mussten heute ganz schön was aushalten, denn Umknicken war eigentlich an der Tagesordnung. Doch dann kam endlich die Fahrstraße – wir dachten, „jetzt radeln wir, bis am Horizont unser heutiges Ziel erscheint!“ Doch falsch gedacht, nur ein kurzes Stück konnten wir uns mal wieder auf unserm MTB sitzend und radelnd bewegen. Denn es dauerte vielleicht nur zwei km, dann standen wir erneut vor einem riesigen Geröllhaufen, durch den ein kleiner Bergpfad führte, der immer steiler wurde. Da hieß es wieder schieben und tragen.

Erst etwa 300 Meter vor der Hütte ging ein schmaler Singletrail durch die Wiesen, und wir konnten im Angesicht der untergehenden Sonne nun endlich das lang ersehnte Ziel und unsere heutige Schlafstätte sehen. Gefühlt haben wir heute mehr geschoben als gefahren, aber in Wirklichkeit war dies wohl nicht ganz so. Das letzte Stück war der schwierigste Teil, und dafür bekommt heute der Rainer Stadler 1 Minuspraline (weil er uns nicht gesagt hat, dass wir das alles schieben müssen und dass das alles sooo steil und nass ist), aber er bekommt auch wieder 1 Pluspraline, weil wir eine so schöne Tour und so schöne Erlebnisse heute hatten. Aufgrund des Defektes und des Hinschmeißens von Michael waren wir leider erst um 19 Uhr auf der Heilbronner Hütte, 2308 hm. Eine heiße Dusche – super! Ein Wärmeschrank für das Trocknen unserer nassen Schuhe und Klamotten und gutes, reichliches Essen. Suppe mit Backerbsen, Lasagne mit Salat und Cappuccinocreme. Auch das Hüttenpersonal ist sehr nett und hilfsbereit, und wir fühlen uns total zu Hause, inklusive Augsburger Dialekt. Heute wissen wir, warum die Tour nur 47 km lang war. Es war absolut richtig so geplant und wir sind froh, dass wir erst am Sonntag gestartet sind. Erstens gab es am Samstag hier in den Bergen Dauerregen. Zum anderen haben wir erfahren, daß wir ca. 50 MTBikern hinterherfahren, diese sind am Samstag gestartet und alle gemeinsam auf der gleichen Tour unterwegs. Wir haben die Route und auch die Quartiere relativ allein für uns.
6:45 Std., 143 Durchschnitt Herz, 51 km, 8,1 km/h, 10 Grad Durchschnitt, 2115 hm

3. Tag
Heilbronner Hütte – Ischgl – Heidelberger Hütte – Fimberpass – Ramosch


Heute sollte die erste große Überraschung gleich früh am Morgen kommen.

Stefan weckt mich und sagt: „Schau mal zum Fenster raus. Schnee, wohin das Auge blickt."

Sch..., das war nicht angesagt. Aber nicht verzagen, erst mal in aller Ruhe frühstücken gehen. Es gab anständig Kaffee und mitleidige Blicke von den Wanderern, die wie wir auf der Hütte geschlafen haben. Also sind wir auf 2300 m dick verpackt in die Schneelandschaft gestartet, es war rutschig ohne Ende.

Erst ab ca. 1900 m gingen die Schneeflocken in Regen über. Mein MTB machte ganz komische Geräusche beim Bremsen, es klang, als hätte ich den ganzen Schlamm von gestern nun zwischen Bremsbelag und Scheibe. Doch die Abfahrt nach Galtür lief recht flott, es war weit oben schon geteert, und es dauerte nicht lange, bogen wir auf die Silvretta-Hochalpenstraße ein. Es regnete nun in Strömen und sogar die entgegenkommenden Motorradfahrer hoben den Daumen. In Ischgl machten wir erst mal halt, um einen Technikstopp einzulegen. Dieser entpuppte sich allerdings auch als Aufwärmstopp. Tropfnass und dreckig von oben bis unten, bogen wir in das Geschäft ein. Wir bedanken uns noch heute, dass das Personal so freundlich und unkompliziert war. Als erstes wurden unsere Bikes gewaschen, dann Klaus' Bike gerichtet. Auch seine Schuhe waren hinüber, in zwei Teile gebrochen, und es mussten neue her. An meinem MTB war der Belag der Vorderradbremse einfach nicht mehr da, was die komischen Geräusche verursacht hatte. Alle MTB wurden super versorgt und neu eingestellt, und draußen regnete es immer noch. Da wir ja wussten, daß auf 2000 m Schneefall angesagt war, wollten wir eigentlich nicht über den Fimberpass, der lag auf 2608 m, und wir konnten uns gut vorstellen, wie dort der Übergang aussah. Also wurde hin und her diskutiert, ob es raus ging aus dem Tal mit dem Bus oder Zug und wir zum heutigen Quartier außenrum fahren oder vielleicht über die Idalpe, oder aber auch auf 2600 m und dann hinab nach Samnaun oder… Im Radladen gab es einen Fernseher, in dem liefen die Panoramabilder von den Almen ringsum. Es gab leider keine, auf der kein Schnee lag. Unser Mechanikus meinte aber, daß der Fimberpass von allen Übergängen der einfachste wäre und nicht so schwer wie gestern die letzte Passage im Silbertal. Also beschlossen wir, es doch zu wagen und dem Schnee Paroli zu bieten. Da wir nun durch Wetter und Bike-Reparatur relativ viel Zeit verloren hatten, nahmen wir den seinen Rat an und fuhren als erstes mal zur Silvrettabahn, stiegen mal nicht mit Skiern, sondern mit dem MTB ein und ließen uns mit der Gondelbahn bis zur die Mittelstation fahren. Tief unter uns sahen wir die Fahrstraße liegen, auf der wir eigentlich unterwegs sein sollten. Doch deshalb hatten wir kein schlechtes Gewissen. Von der Mittelstation ging es zuerst auf Asphalt in Richtung Heidelberger Hütte, 2264 hm, doch es dauerte nicht lange und es wurde wieder Schotter. Steil ging es nach oben und immer wieder mussten wir tiefe Wasserrinnen durchfahren.

Die Wege waren mit Wasser vollgesogen, und wir mussten hier doppelt so viel Kraft aufbringen, um unser Bike nach oben zu bekommen. Oft hab ich überlegt, steige ich ab oder fahre ich durch die Wasserrinne durch? Die Entscheidung durchzufahren war für die Schuhe die bessere, man sah allerdings vorher auch nicht, wie tief die Wasserrinnen waren. Oft steckten wir bis zur Nabe drin und hofften nur noch, daß es nicht tiefer wurde. Durch den Regen der letzten Tage und heute den Schnee kommt das Wasser einfach von überall her. In der Heidelberger Hütte angekommen, hieß es erst mal Schuhe ausziehen, aber dafür gab es hier für jeden Hüttenhausschuhe und damit erst mal warme Füße. Frisch gestärkt mit einer deftigen Suppe und fast wieder trocken durch den tollen Kamin in der Hütte, machten wir uns kurz darauf an den Aufstieg zum Fimberpass auf 2608 hm. Ab der Hütte konnten wir wieder nur schieben, teils tragen und oft auch fluchen. Aber eigentlich war es nicht so schlimm wie gestern. Die Murmeltiere beobachteten uns mit großen Augen und hatten überhaupt nicht die Absicht, vor den Radlern Reißaus zu nehmen. Nicht ein Pfiff ertönte, sie saßen nur da und dachten wahrscheinlich "Was machen die da bloß?" Auch die Sonne ließ sich wieder mal blicken. Durch den hohen Wiesenhang vor uns sahen wir steil nach oben das Band des Weges durchziehen. Der Wind war hier oben richtig bissig, und es hieß, sich sinnvoll anzuziehen. Oben angekommen, sahen wir nicht das, was wir jetzt sehen wollten – eine Superabfahrt zum Fahren –, nein, was wir sahen, war weit und breit nur Geröll, Steine und Wasser bis tief hinunter ins Tal. Am Wegkreuz flatterten bunte tibetische Gebetsfahnen, als wollten sie uns sagen: „Jetzt geht noch mal in euch, bevor ihr euch auf die Abfahrt wagt!“ So steil und unwegsam es drüben bergauf ging, so ging es nun hier auch bergab weiter. Durch das viele Wasser vom Regen liefen wir stets durch kleine Bäche, denn die Wege zum Bergablaufen waren jeweils der einfachste Weg fürs Wasser und damit das Bachbett. Tief unten im Schluß des Gerölls und der Berghänge hatte sich ein See gebildet.

Es sollte einige Zeit dauern, dort anzukommen. Oben am Passübergang fing es wieder an zu schneien, und der Wind pfiff uns um die Ohren. Also sahen wir zu, von so unwirtlichem Ort zu verschwinden. Vielleicht eine Dreiviertelstunde später standen wir an dem See, den wir schon so weit oben ins Visier genommen hatten. Kurz nach dem See stiegen wir einen steilen Wiesenhang hoch, der von den 50 MTBikern von gestern total zerstört war, als wäre hier Hannibal mit seinen Kriegern und Elefanten über den Berg gezogen. Über eine kleine Hühnerleiter ging es dann über das Wasser, den Weg hatte es einfach weggespült und kurz darauf standen wir auf einem breiten Forstweg. Dieser war jedoch mit so großen Steinen übersät, das es nun hieß: „Lenker festhalten, Arsch hinter den Sattel und laufen lassen!“ Ich musste an Achim Zahn denken: „Wo das Vorderrad drüber ist, kommt das Hinterrad automatisch hinterher!“ Und so war es dann auch, und wir hatten keinen Bock mehr zu laufen oder zu schieben. Mussten wir auch nicht, nur ein wenig Mut war hier gefragt. Der Fahrweg wurde immer besser, und kurz darauf standen wir in „Griosch“ vor den Überresten des Lawinenunglück-Winters '99. Einsiedler führen hier ein ganz sparsames und einfaches Leben und bewirten mit Speis und Trank die Wanderer und Radler.

Nach 7 km toller Abfahrt standen wir schließlich vor unserem heutigen Quartier, nachdem wir von einem holländischen Autofahrer bewundernd gesagt bekamen: „Hey, ihr seid jetzt mit 80 km/h die Abfahrt runter geschossen!“ Allerdings glaub' ich, dass sein Tacho nicht ganz korrekt anzeigte. Für uns gab es gute Zimmer im „Bella Vista“ in Ramosch und vor der Garage auch einen Gartenschlauch für unsere Bikes, die wir heute schon zum zweiten Mal säuberten. Heute konnten wir unsere nassen Sachen mit einem Heizlüfter trocknen und endlich wieder mal in einem „normalen“ Bett schlafen. Zum Abendessen gab es einen tollen Salat, Cordon bleu mit Pommes frites und ein großes Eis als Nachtisch. Zu diesem Zeitpunkt erreichte uns auch die SMS von Michael „Hallo Heike, sitze im Zug nach Landeck und ich werde die Tour abbrechen, seid mir bitte nicht böse. Viel Spaß noch auf der Mördertour!“ Rechtschaffen müde gingen wir ins Bett, mit respektvollen Gedanken an den morgigen Tag – an unsere Königsetappe.

5. Tag
Ramosch – Val d'Uina – Schlinig-Pass – Sesvennahütte – Val Mora – Torri di Fraele


Heute nun sollte der schwerste Tag auf uns warten. Nach den Anstrengungen der vergangenen Tage hatte ich so meine Bedenken, ob wir diese Tour auch gut schaffen würden. Doch das Schönste grüßte uns gleich in der Früh – die Sonne schien.
Um 8:30 Uhr stiegen wir auf unsere frisch geputzten Bikes und ließen es bis nach „Sur En“ hinunter ins Engadin rollen.

Über die Holzbrücke drüber, und schon fing die nächste Steigung an, immer auf Schotter zogen wir die Schlucht nach oben, schön versteckt im Wald, der uns heute feinen Schatten spendete. Es dauerte gar nicht lang, bis wir die erste Felswand vor uns liegen sahen, an dieser ging es durch kleine galerieartige Holzgebilde weiter nach oben; Stefan spurtete an mir vorbei und fuhr mit stetem Tritt durch die Galerie. Für mich war aufgrund der Steilheit das Fahren vorbei, immer wieder stieg das Vorderrad hoch, und der Rucksack zog mich hinten runter. Also hieß es absteigen und mal kurz schieben. Allerdings konnte ich so die tolle Schlucht und ihre Schönheit in vollen Zügen genießen. Links der kalte, kahle Felsen, rechts von uns tief unter uns das gurgelnde Wasser, weit eingegraben in den Felsen, konnten wir es mal sehen und mal versteckte es sich.
Immer weiter ging es im Wald nach oben und auf einmal öffnete sich die schmale Schlucht und entließ uns auf eine weite grüne Almwiese, wo uns wieder die Kühe mit großen Augen anschauten.

Weit oben überm Almhaus, hoch am Horizont, sahen wir die tiefen Einschnitte im Felsen, dort drüber müssen wir nun. Die Uina-Schlucht lag spektakulär vor uns. Ein Mythos mit dem Bike. Links der Felsen, rechts die tiefe Schlucht, und ab und zu stürzen große Wasserfälle über die rund gewaschenen Steine in die Tiefe. Donnernd und grollend grüßt der Abgrund von unten. Wir liefen auf eine Gruppe MTBiker auf, welche vor uns im Felsen gut an ihren bunten Trikots zu erkennen waren. Kurze Zeit später hatten wir die Gruppe eingeholt. Nun musste das Bike oft getragen werden, doch oft wusste man nicht so genau wie. Dann hieß es Bike nach oben auf den nächsten Felsblock und schauen, wie man dann mit Rucksack hinterherkommt.

Zweimal ging es durch dunkle schwarze Löcher hindurch, wo man nicht sehen konnte, wohin man tritt. Beim Überholen der Gruppe merkte man einer Frau echte Probleme an. Ähnlich einem Asthma-Anfall stand sie schwankend in der Schlucht und bekam keine Luft. Auf meine Frage, ob es ihr nicht gut gehe, sagt sie: „Ich habe Höhenangst.“ Oje! dachte ich bei mir, dann ist sie wohl in der Uina-Schlucht verkehrt. Eine halbe Stunde genossen wir Natur pur, gigantische Eindrücke, weit überhängende Felsen,

die in einem Ruck in eine wunderbar sanfte Hochalm übergehen, wo man recht schnell wieder gut im Sattel sitzen konnte. Doch vorher holte ich mir erst mal einen Stromschlag am Zaun, der eigentlich die Kühe vor dem Sturz in die Schlucht bewahren sollte. Ich dumme Kuh wollte nach oben über den Zaun und bekam prompt einen Schlag!

Durch diese wunderbare Wiesenlandschaft hinüber über den Schlinig-Pass, 2311 hm, bis zur Sesvennahütte, 2256 hm, ging es nur leicht bergab, aber nach der Hütte wurde es supersteil und die Schotterabfahrt war durchsetzt von riesigen tiefen Wasserablaufrinnen. Die Wanderer sprangen nach links und nach rechts vom Weg hinunter, bremsen hätten wir nicht können, wenn einer die falsche Richtung eingeschlagen hätte.

Kurz darauf hatten wir einen Waldtrail der feinsten Art vor uns (hier ein ganz ganz dickes Lob an Rainer Stadler für die Streckenführung!), immer an der Bergkante entlang mit Blick auf das Tal nach Burgeis. Wir konnten nun die Bikes so richtig laufen lassen. Im Tal unten angekommen, genossen wir einen kurzen Augenblick die Abfahrt auf der Via Claudia, geteert und nach den Anstrengungen der letzten Tage einfach eine kleine Verschnaufpause. Doch es dauerte nicht lange und wir bogen in Richtung „Santa Maria“ ab, um unsere zweite Prüfung für heute in Angriff zu nehmen. Die Beine waren schon ein wenig müde, und wir hatten einen Heidenrespekt vor dem Anstieg ins Val Mora. Die Pizza kurz vor der Schweizer Grenze kam uns gerade recht und es wurde ein großes Panino verputzt, bevor wir von der Schweizer Gendarmerie großzügig durch den Kontrollposten gewunken wurden. Der Abzweig ins Val Mora begann wie immer steil, steil und wurde noch steiler. Mein Kopf wollte überhaupt nicht verstehen, dass er jetzt auch noch hier hoch fahren sollte. Immer wieder kamen auch Wanderer von oben, bis wir feststellten, dass hier sogar der Postbus bis auf ca. 1600 hm rauf fuhr. Ich dachte nur: „Ich will jetzt auch Postbus fahren !“ Aber es ging für uns weiter nach oben, auf ca. 2000 hm hörte der Wald dann auf und wir standen auf einer Hochebene, es sah einfach nur weich und grün aus. Rechts an den Bergflanken stürzten silberfarbene Wasserfälle an den Steinen ins Grün. Spitz und groß standen die Felsen hoch über unseren Köpfen; sie konnten die grauen Wolken leider trotzdem nicht davon abhalten, herüber zu kommen. Wir staunten nicht schlecht, dass der etwa zwei Meter breite Fahrweg wirklich bis ganz hoch über den Passo Costainas auf 2234 hm ging, wir mussten hier bei dieser Auffahrt nicht einen Meter schieben – ein Gedicht! Doch kaum waren wir oben, öffnete der Himmel erneut seine Schleusen und wir suchten Unterschlupf. Zum Glück stand hier oben ein ausrangierter Ziegenstall, dessen Stalltür, gut für uns, nicht verriegelt war. So konnten wir in aller Ruhe unsere Regenklamotten funktionstüchtig machen und den dicken Schauer aussitzen, um bei leichtem Nieselregen wieder loszurollen. Wir sahen von oben ein riesiges Murenfeld, Schotter über Schotter, das Tal von links nach rechts und mitten drin ein Mini-Rinnsal.

Ich glaube, keiner von uns kann sich richtig vorstellen, wie es hier zur Schneeschmelze aussieht. Nun kam das zweite Highlight unserer heutigen Tour. Der Singletrail hinunter zu den Stauseen von Fraele. Der Trail ging hinein in das Murenfeld und lag immer schmal und eng am Berghang. Wir sind hier fast alle Passagen gefahren und haben uns viel viel mehr getraut als an den zwei Vortagen. Um Klassen besser, so dass so mancher Jauchzer in der Kehle steckte, so viel Spaß hat dieser Abschnitt gemacht.

Er war einfach geil, es wurden auch Stücke gefahren, wo es rechts von uns tief nach unten ging und tief unter uns der gurgelnde Fluss lag. Dann sahen wir die Stauseen vor uns und um diese beiden, die türkisblau tief unter uns lagen,

führte eine wilde Schotterpiste, bis ein Schild "Villa Valerina 9 km" auftauchte. Doch wir lasen das Hinweisschild falsch und fuhren auch noch mindestens 200 hm umsonst zu einem anderen Gasthof hoch. Das Refugio Villa Valerina war ordentlich und sauber, wir bekamen ein tolles Abendessen mit „Spaghetti aglio e olio“, Kotelett mit Polenta und Salat und einen guten Apfelkuchen.

6. Tag
Torri di Fraele – Bormio – Gavia-Pass – Pezzo


Nach einer ruhigen, sternklaren Nacht – der Mond schien hell in unser Zimmer –, gab es um 7:30 Uhr ein gutes Frühstück. Der Wirt war zwar ein bisschen muffelig, aber ich glaub', der war einfach immer so. Auf 2000 hm war es heute früh empfindlich kalt, doch standen wir nach unseren ersten wenigen Tritten vor einer einzigen Kurvenabfahrt, 700 hm unter uns, tief im Talkessel eingebettet, liegt Bormio. Die schönste Straße, die ich bisher außer dem „Turini-Pass“ gesehen habe, lag nun vor uns.

Wir schraubten uns auf einer wahrhaft einzigartigen, breiten, kehrenreichen Naturpiste hinunter. 100 Prozent Fahrspaß ist garantiert. Rings um uns nur noch Berge über 3000 m, doch der Ortler hielt sich immer vor uns versteckt. Tief in den Wolken zeigte er uns nicht einmal ein kleines Spitzchen, und die Wolken, die um seinen Gipfel waberten, sollten uns heute auch noch einholen. Der Berg, den es heute zu bezwingen gab, den kannten wir schon. Heute lagen keine Schotterpisten vor uns und keine Singletrails, es gab heute nur ein schmales Teerband in wilder Landschaft zu befahren. In Bormio holte uns aber vorher die Zivilisation wieder ein. Wenn man so mit dem MTB unterwegs ist, stören die Autos umso mehr, wenn man mal wieder auf der Straße fahren muss. Unten im Tal angekommen, mussten wir schon wieder ein paar Gänge runterschalten und kräftig in die Pedale treten. Wir fuhren in den Anstieg hinein zum Gavia-Pass. Hoch hinaus wollten wir heute noch bis auf 2640 hm. Nach den vielen Höhenmetern von gestern wollte es heute irgendwie nicht so richtig rund laufen. So machten wir in S. Catarina auf 1732 hm, im einzigen Ort am Gavia, eine Cappuccinopause. Diese sollte sich als Glücksfall erweisen, denn kaum stand unser Cappuccino auf dem Tisch, öffnete der Himmel alle Schleusen. Es goss in Strömen und es sah nicht so aus, als ob es gleich wieder aufhören sollte.

Also richteten wir uns häuslich ein und bestellten erst mal Pizza. Um 11:30 Uhr fing der Regen an, und um 14 Uhr regnete es noch immer. So entschieden wir uns mit dem Bike-Taxi (Landrover mit Bikeanhänger)

den Gavia rauf zu fahren und dann, dick eingemummelt, halt einfach im Regen abzufahren. Von unten sahen wir auch, dass sich die Schneefallgrenze immer weiter nach unten senkte. Doch es sollte anders kommen, beim Bergauffahren wurde der Himmel immer freundlicher, und auf einmal gab es blaue Stellen in den Wolken, und auch die Sonne kam ab und zu mal durch.

Oben am Refugio angekommen, zogen wir uns dick an und fuhren noch die restlichen 2 km bis zur Passhöhe und damit zum Refugio Bonetto. Dort bewunderten wir die Bilder von den vergangenen Giros, tief im Schnee versunken zogen die Profis ihre Bahn. Auch wir zogen wieder unsere Bahn und zwar Richtung Tal. Schmal und schlecht war die Abfahrt vom Gavia, die ersten paar Kehren zogen um den kleinen Bergsee herum, traumhaft gelegen, aber saukalt, im Hintergrund die nun schneebedeckten Dreitausender und tief unter uns die Talsohle, auf die wir zuhielten.

Die Abfahrt vom Gavia-Pass war so schmal, dass nur ein Auto fahren konnte, in jeder Kurve hatte man Angst, dass Auto oder Motorrad von unten entgegenkamen. Wenn man von oben auf die Serpentinen zufuhr, hatte man das Gefühl, die Straße verliert sich im Nichts, und doch zog sie immer nach links oder rechts um den Berg herum. Von oben kommend liefen wir auf eine Vierergruppe MTBiker auf, die wir in unserem B&B „Yuri“ wiedertrafen. Wir wurden alle herzlich empfangen, mussten allerdings mit nicht so schönen Zimmern vorlieb nehmen. Es gab nur Etagendusche, was jetzt wirklich nicht so prickelnd war. Aber dafür gab es wieder mal eine kostenlose Bikewäsche

und auch einen kostenlosen Wetterservice, der für morgen früh Sonne ansagte. Auch konnten wir uns bei „Yuri“ die Tour vom morgigen Tag anschauen. Die stand in YouTube eingestellt als Video von einem MTBiker der dort mit Helmkamera runtergefahren ist. Die Empfehlung zum Abendessen von „Yuri“ war einfach toll: eine große Portion Nudeln mit Blick auf die untergehende Sonne auf den gegenüberliegenden Berggipfeln.

7. Tag
Pezzo – Montozzo-Scharte – Lago di Pian Palu – Val di Sole – Campo Carlo Magno – Madonna di Campiglio



Die Nacht haben wir trotz Metallliegen gut geschlafen und das Frühstück bei „Yuri“ war super, auf Biker abgestimmt. Durch die Gruppe, die mit "Fahrtwind" unterwegs war, haben wir gestern bei einem Bier in der Sonne schon erfahren, was heute auf uns zukommt. Das Höhenprofil wurde erstellt und wir konnten es eins zu eins übernehmen, auch die fuhren nach Madonna. Am Abend zuvor wurde auch noch festgestellt, dass wir wohl die Cleveren waren, die mit dem Landrover am Gavia-Pass ankamen, zu diesem Zeitpunkt saßen nämlich die Fahrtwindler in der Passhütte, mit jeweils einem kleinen See um sich herum, und froren sich den Hintern ab. Sie waren alle im strömenden Regen den Gavia-Pass gefahren und oben total verfroren angekommen. Man war dann einstimmig der Meinung, dass wir eine bessere Entscheidung getroffen hatten. Aber heute waren auch die alle wieder fit und so fuhren wir zusammen in Richtung Val Viso. Nach ca. 3 km auf Asphalt lugten in einer wunderbaren Wiesenlandschaft ganz verstreut kleine Hütten hervor, die meisten waren restauriert und schön hergerichtet, andere jedoch total verfallen.

Nach nur 3 km Asphalt ging der Fahrtweg in eine Schotterpiste über, die nun steil gegen die Bergwand zog. Man sah den Fahrtweg dicht am Berghang kleben, und vor uns tauchten wieder die bunten Trikots der anderen Gruppe auf. Wo unser Weg unten noch durch die saftigen Bergwiesen führte, dauerte es gar nicht lang, waren wir wieder in der Geröllwüste unterwegs. Immer steiler wurde der Weg und die Steine immer verblockter, dass man oft richtig hindrücken musste, um das Radl in der Spur zu halten. Die Dreitausender um uns herum zeigten frisch verschneite Gipfel, und wir mussten ja auch heute auf eine Höhe von 2614 hm, bis zur Montozzo-Scharte hinauf. Im Anstieg nach oben wurde es auch immer kälter, auch wenn die Sonne ab und zu wieder raus kam. Direkt neben dem Weg lag ein Murmeltierbau, und kurz bevor ich auf dem Weg den Bau passierte, stürzten auf einmal zwei vorwitzige Junge aus diesem heraus und blieben erschrocken mitten auf dem Weg sitzen, um mich mit großen Augen anzuschauen. Sie trafen blitzschnell die richtige Entscheidung – so schnell wie möglich zurück in den Bau. Um ein Foto zu machen, dafür ging's zu schnell. Bis zur Bozzi-Hütte auf über 2500 hm

konnten wir den Weg fahren, nur ein paar ganz steile Rampen waren einfach nicht drin. In der Hütte wärmten wir uns alle auf, um dann frisch gestärkt auf die letzten 200 hm zu gehen, welche nur noch schiebend zurückzulegen waren. Manchmal ging es einen Schritt vor, um sofort wieder zwei Schritte zurück zu rutschen, und immer mussten beide Hände am Lenker bleiben. Über die Scharte drüber, erwartete uns eine Überraschung: ein fahrbarer Trail

lag vor uns. Wir versetzten unseren Sattel nach unten und los ging’s. Doch es dauerte nicht lange, bis immer mehr fette Steine auf dem Trail lagen, wo wir uns nicht mehr alle darüber trauten. Tief unter uns lag tiefblau der Lago di Pian Palu

und steil und immer steiler wurde der Trail. "Fahrtwind" hatten wir im Anstieg überholt, jetzt auf der Abfahrt sausten sie an uns vorbei. Als wir so da standen und die tolle Abfahrt genossen, wollte Stefan eigentlich nur absteigen, doch das Rad bockte und es wurde ein Salto daraus. Wir staunten nicht schlecht, es sah wirklich spektakulär aus und bescherte ihm einen ziemlich großen blauen Fleck. Der Trail war echt gefährlich, vor allem ging es links lang und steil nach unten. Einmal umfallen und weg bist du … Heute hatten wir rechts den Felsen und links den Abhang, und das war für mich ein echtes Problem. Ich musste ausklicken, trat fast ins Leere um kam schon in Richtung Abhang ins Kippen und dann war's mit dem Fahren vorbei – Kopfsache. Kurz darauf stand Stefan an einer brisanten Stelle, um uns zu warnen. Er war vor uns abgestiegen, um dieses Stück schiebend zu überbrücken, und dann schwer ins Rutschen gekommen, mit dem Bike umgekippt und nun mit einer ganz schlimmen Prellung am Oberschenkel unterwegs. Dass auch der Ellbogen und der Finger stark gelitten hatten, haben wir zu diesem Zeitpunkt gar nicht richtig mitbekommen. Wir verarzteten ihn an Ort und Stelle, und, weiter ging es abwärts. Kurz darauf standen wir unten am Stausee und konnten auf einem breiten Forstweg runter ins Tal knattern. Im Valle di Sole fanden gerade die MTB-Weltcuprennen statt und wir fachsimpelten mit einem Giant-Fahrer, der viele Jahre Profi war und nun die jugendlichen Fahrer betreute. Auf die Idee mal zu fragen, wie er heißt, sind wir aber alle nicht gekommen. Im nachhinein dachten wir nur, vielleicht haben wir ja mit jemand Berühmtem gesprochen, der schon was gewonnen hat. Ein Stück weiter aus dem Tal heraus, bewunderten wir die Fahrkünste der weltbesten Downhiller, die sich, mit Protektoren und Helm bewehrt, wagemutig in die Tiefe stürzten.
Doch unser Weg war noch nicht zu Ende, aus dem Tal heraus fanden wir schnell den Einstieg in Richtung Passo Campo Carlo Magno. Der Weg führte uns wunderbar im Schatten liegend durch eine Schlucht hinauf.

Auch hier, in der Erwartung nicht wirklich steil, waren Rampen drin, die ich geschoben habe. Hoch über den Baumwipfeln blitzten die Gipfel der Brenta hervor.

In Madonna di Campiglio holte uns der Wahnsinn der Italiener wieder ein, es war ein Kampf, mit dem MTB durch das Gewimmel der Touristen hindurchzufinden. Doch wir mussten weiter. Unser Quartier lag ca. 5 km von Madonna weg und es lief nun stetig bergab.

Wir hatten auf dieser Abfahrt immer im Kopf, dass wir das alles morgen wieder rauf müssen. Aber unser Quartier entschädigte uns für alles. Das "Garni La Soldanella" war unser schönstes Quartier der Tour. Ruhige und saubere Zimmer ließen uns eine erholsame Nacht verbringen.

8. Tag
Madonna di Campiglio – Val d'Algola – Passo Bregn de l'Ors – Stenico – Lago di Garda


Das Öffnen des Fensterladens war ein Genuss. Die Sonne strahlte über die Berggipfel, tiefblauer Himmel um uns herum, ohne den Ansatz einer Wolke. Auch das Frühstück ließ nichts zu wünschen übrig, es gab alles, was das Herz begehrt, sogar Kuchen. Da wir ja gestern die 6 km von Madonna abgefahren waren, hatten wir die Befürchtung, dass wir dies heute alles wieder zusätzlich nach oben müssen, um auf unsere Tour zu kommen. Doch weit gefehlt, es dauerte lediglich 500 Meter, und schon stand das Val Brenta ausgeschrieben. Wir bogen ab in den Waldweg und waren wieder mitten in unserer Tour. Durch den Wald ging es nun wunderbar schattig auf einem gut zu fahrenden Forstweg immer Richtung Fels und damit Richtung Gardasee. Die majestätischen Gipfel der Brenta, die unnahbar auf uns herniederblickten, ließen wir links liegen, da es dort keinen Übergang gibt. Wir trafen heute viel mehr Biker, da hier mehrere Routen der Alpenüberquerer zusammentreffen und den letzten Weg gemeinsam gen Lago fahren. Vom Highlight unseres Tages, dem Lago di Val Agola,

in dem sich heute die Spitzen der Brenta zusammen mit den Sonnenstrahlen spiegeln, bis hin zum Passo Bregn de I'Ors (Bärenpass) mussten wir allerdings doch wieder vom Rad. Ca. 200 hm schieben war auch heute angesagt, und es sollte nicht das letzte Mal sein. Es ging extrem steil über einen Wiesenhang nach oben, man hatte wirklich den Eindruck, dass man sein Bike fast im rechten Winkel schiebt. Doch oben angekommen, genossen wir das schönste Panorama der Tour. Drei Täler öffneten sich uns auf diesem Wiesenbuckel, und wir konnten nun aussuchen, in welche Richtung es weitergehen sollte.

Die Kühe standen nur da und staunten über die vielen Biker. Hier trafen wir auch die „Fahrtwind“-Jungs wieder, die heftig mit der Karte kämpften, um die Namen der umliegenden Gipfel herauszufinden.

Es ging noch kurz über einen Singletrail bergauf, und dann hatten wir eine Abfahrt von 1600 hm nach Stenico vor uns. Der erste Teil der Abfahrt entpuppte sich als extrem schottrige Forststraße mit tiefen Ablaufrinnen, die schräg zur Straße verliefen und uns mehr als einmal fast aus dem Sattel katapultierten. Was die Bikes so aushalten, ist schon extrem. Stefan und Klaus fanden es supergeil und sind einfach drauflos gebrettert. Grobe Steine, Schotter und schlechte Lichtverhältnisse ließen es für mich ein wenig schwieriger werden. In der Mitte der Abfahrt ging der Schotter dann in Asphalt über, und einem guten Cappuccino in Stenico stand nichts mehr im Weg. Wir dachten auch, dass uns nun nichts Großartiges mehr im Weg steht, vor unserem Ziel, dem Gardasee, doch falsch gedacht. Rainer hatte noch eine letzte Prüfung für uns eingebaut, und die kam gnadenlos. Doch vorher ging es auf Feldwegen

weiter über Ponte Arche Richtung Passo Balino, doch wir bogen vorher ab ins Nebental,

und damit hatten wir noch einmal eine richtig heftige Schiebepassage vor uns, zum Passo ? (hier hab' ich den Namen leider nicht rausfinden können). Am Übergang wechselten wir sofort auf Asphalt, und ein paar Kurven weiter kamen uns Biker entgegen. Es dauerte nicht mal zwei Kurven und wir sahen das erste Mal den See.

Ganz weit unter uns lag er, tiefblau eingebettet in die steilen Wände der Berge, bedeckt mit vielen bunten Segeln – der Gardasee. Nach einem kurzen Abstecher, der Ansage von Klaus' Navi folgend, der uns in die totale Wildnis und damit auf einen unfahrbaren Untergrund brachte, machten wir doch wieder kehrt und sausten kurz darauf mit dem warmen Sommerwind in Richtung Riva hinunter.

Wir waren da – angekommen auf unserer Tour, gestartet vor sieben Tagen auf der Nordseite der Alpen und jetzt hier in Riva am Gardasee. Uns begleiteten Regen, Sonne und Schnee, aber auch immer eine Portion Glück und gute Laune. Für uns war die Tour „Bergsteigen mit dem Rad", aber wir erkannten auch, was für eine Herausforderung eine solche Tour für Mensch und Material darstellt. Wir wollen sie auf jeden Fall wiederholen und hoffen dann auf ein wenig besseres Wetter.