Sonntag, 4. Januar 2009

"Trans-Austria" – 9. bis 24. August 2008

Von HEIKE und STEFAN GRAF

1. Tag, 10. 8.:
Heute ging es ganz anders los als sonst. Der Rucksack war gepackt, unsere Drahtesel standen abfahrbereit im Keller und um 8:30 Uhr fiel der Startschuss im Schweriner Weg in Diedorf – hin zum Bahnhof Augsburg. Bis nach Rosenheim konnten wir noch ein Nickerchen machen, und dann ging es ganz human bis zu unserem ersten Anstieg. Durch große weite Wiesen, immer die näher rückenden Berge vor uns, lief es die ersten Kilometer gut voran.

In Brannenburg bogen wir ab in ein schmales Sträßchen Richtung Bayrisch Zell. Sofort ging es steil hinauf, und der Tatzelwurm zeigte uns seine Zähne. Diese Bergstraße ist ja mautpflichtig und daher auch ganz gemach mit dem Autoverkehr. Schmal und bald sehr steil mit 18% zieht hier das Teerband vom Tal nach oben. Nach ca. 8 km bogen wir ab auf die Sudelfeldstraße. Breite, gut ausgebaute Kurven ziehen hier natürlich die Motorradfahrer an. Ein Moped schöner als das andere, einer schneller als der andere, einer näher mit dem Knie am Asphalt als die anderen. Es war schon auch eine Schau zuzusehen. Wir hatten mit wesentlich mehr Verkehr gerechnet, doch es hielt sich in Grenzen. So konnten auch wir diese Passstraße genießen und, mit tollen Panoramablicken belohnt, uns auf die kommende Abfahrt freuen. Kaum die Abfahrtshaltung eingenommen, bogen wir Richtung Kufstein zum Ursprungpass ab, der nach 7 km gemächlicher Steigung das Tor zu Österreich öffnete. Die erhoffte Abfahrt erwies sich als sehr wellige Angelegenheit bis Thiersee, erst danach wurden wir mit abschüssigem Gelände belohnt. Von Kufstein fuhren wir, immer am Talboden bleibend, nach Mariastein. In herrlichen Berglandschaften und blühenden Wiesen konnten wir hier dem tobenden Verkehr auf der Bundesstrasse entfliehen.
Bis die Stimme von hinten sprach: “Kommt ihr vom Schwimmen oder vom Kraxeln, mit euren großen Rucksäcken?” Kurz wurde die Situation erklärt, und wir hatten bis ins Alpbachtal einen netten Begleiter und Wegführer. Nun lag der Schlussanstieg vor uns. Von Brixlegg zog sich der Kerschbaumer Sattel durch die sonnenbeschienene Wiesenlandschaft hinüber ins Zillertal. Der Teerstreifen zum nur 1110 Meter hohen Passübergang erwies sich als durchaus anspruchsvoll, und schließlich waren wir beide froh, das Pass-Schild zu sehen. Der Kerschbaumer Sattel ist auf den Karten mit Schotter eingezeichnet, ist aber durchweg auf Asphalt befahrbar.
Nach ca. 10 km Abfahrt fanden wir Quartier im bekannten “Zweckerhof” und saßen auf der Terrasse bei einem Radler in der Sonne.

Unten im Tal, in Fügen, lag schon der Schatten. Auch zum Essen durften wir die Abendsonne genießen und einen wunderbaren Sonnenuntergang gegenüber im Achental beobachten. Jetzt sitzen wir auf ca. 880 m und schauen hinab ins Zillertal, die großen Hotels liegen beleuchtet tief unter uns und wir freuen uns tierisch, dass wir hier oben sitzen.
6:10 Std., 133,5 km, 1910 hm, 21,9 km/h.

2. Tag, 11. 8.: Nach einer ruhigen Nacht gab es ein Bauernfrühstück mit Käse, hausgemachter Wurst, hausgeräuchertem Schinken, Eiern von glücklichen Hühnern, frischer Butter und Marmelade. Die Abfahrt war nicht so berauschend, sehr steil und sehr schlecht. Doch ratz-fatz waren wir unten und fanden gleich den Einstieg in die neben der Bundesstraße verlaufende Wald-und-Wiesenstraße. Neben der Ziller unten im Tal lief es gut bis nach Zell. Hier ging es steil bergan, der Gerlospass war gleich am Anfang eine Herausforderung. Hier begleiteten uns auch noch viele Autos und Motorradfahrer, was sich weiter oben, nach Gerlos, legen sollte. Traumhaftes Wetter und ebensolche Ausblicke begleiteten uns. Nach ca. 10 km gibt der Pass seinen Widerstand auf, es wird etwas flacher, und bis Gerlos kann man sich ein wenig erholen. Aus dem Trubel heraus, waren wir nach dem Ort fast allein auf der Straße, wahrscheinlich weil es oben dann mautpflichtig war für die Autos und Motorräder.
Auf der Abfahrt genossen wir tolle Ausblicke auf die Krimmler Wasserfälle, welche die höchsten in Europa sind. Weiße Gischt sieht man von weitem die Felsen hinabstürzen.

Kurz danach lockte uns ein in der Sonne gelegenes Gasthaus zu einem Stück Kuchen auf die Sonnenterrasse. Frisch gestärkt ließen wir die restlichen Kilometer der Abfahrt ausrollen und waren froh, als wir in Neukirchen die Einfahrt zum Tauernradweg entdeckten. Hier könnten die Österreicher doch das eine oder andere Schild mehr aufstellen, damit die Radler diesen schönen Radweg auch finden. Durch das Salzachtal, mitten durch den Pinzgau, radelten wir ab da auf einem asphaltierten Radweg. Immer an der Salzach entlang, durch die frisch gemähten und nach Heu riechenden Wiesen haben wir diese Talausfahrt sehr genossen, rings umgeben von den hohen Bergen wie Großvenediger, Kitzsteinhorn, dem Nationalpark Hohe Tauern.
In Kaprun fanden wir auch einen guten Schrauber für mein Knackirad, und damit hatten wir auch gleich das Quartier für die Nacht. Etwas skeptisch fuhren wir die 4 km nach Piesendorf zurück, aber der junge Mann hatte so nett sofort angerufen, so dass wir hier nicht enttäuschen wollten. In Piesendorf erhielten wir die Auskunft: “Der Ebnerhof, das ist hier der Hof mit dem tollsten Blick über das ganze Tal!” Das hieß aber für uns, nochmal richtig hochfahren, denn vom Ebnerhof überblickte man das ganze Dorf.
Doch es hatte sich gelohnt, wir wurden mit einer bemerkenswerten Herzlichkeit empfangen. Nach der Frage, ob es nicht vielleicht doch eine Kleinigkeit zu essen gäbe, wurde uns eine riesengroße Pfanne Kässpatzen mit dem hofeigenen Heumilchkäse gemacht. Jetzt sitzen wir hier auf der Terrasse vor dem Hof auf 975 hm, uns gegenüber liegt noch die sonnenbeschienene Spitze des Kitzsteinhorns. Wir genießen den ruhigen Abend, die Grillen neben uns zirpen, und wir freuen uns auf das morgige “Dach der Tour”, die Großglocknerstraße. Es ist gutes Wetter angesagt.
5:45 Std., 122,1 km, 1460 hm

3. Tag, 12. 8.: Ein traumhaftes Frühstück, mit allen Zutaten wieder frisch vom Bauernhof, weckte unsere Lebensgeister und auch die müden Beine. Über die Berge zogen ein paar komische weiße Wolken, doch noch schien die Sonne, und wir wollten so schnell wie möglich in den Anstieg zum Glockner. Genauso herzlich verabschiedet wie begrüßt, können wir diesen Bauernhof für eine Unterkunft nur empfehlen. Über Kaprun und Bruck fanden wir schnell den Einstieg zur Großglockner-Hochalpenstraße. Zuerst noch auf einem Radweg, doch nachdem das Tal immer enger wurde, mussten wir die Straße leider mit den Autos und Motorrädern teilen, und von diesen waren hier viele unterwegs.
Selbst nach der Mautstation, wo für einen Pkw sage und schreibe 28 Euro und für ein Motorrad 18 Euro verlangt werden, zog es viele auf den Glockner. Nach der Mautstation ging es gleich mächtig steil los. Stefan zog davon, und ich sah überhaupt kein Land mehr, irgendwie hatte ich einen richtigen Durchhänger, aber von dem erholt man sich ja gewöhnlich wieder. Durch das Herz des Nationalparks Hohe Tauern zog sich die Straße zum höchsten Berg Österreichs, dem Großglockner (3798 m).

Die Aussicht auf die Pasterze, den längsten Gletscher der Ostalpen, genossen wir immer wieder kurzzeitig durch den Nebel, der um die Berggipfel waberte. Wir waren irgendwann so hoch wie die Wolken, der Nebel und der Wind, und das alles sah gar nicht mehr so friedlich aus, doch es gab jetzt kein Zurück mehr. Nachdem die Anstiegsprozente nicht mehr ganz so extrem zu spüren waren, zeigte uns der Riese jedoch andere Zähne. Wir hatten einen Gegenwind zu bezwingen, der schon eher einem Sturm glich. Gleich zweimal blies mich dieser Wind in einer Kehre vom Rad, gerade noch rechtzeitig ausgeklinkt, um nicht umzufallen, trotz des 5 kg schweren Rucksacks als “Gegengewicht”. Die Kehre hieß “Hexenküche”, und genauso fühlte man sich dort auch, wenig später kam dann noch die Kehre namens “Elend”, und trotz der Anstrengung musste ich lächeln.
Wie gut getroffen diese Namen doch waren. In den langen Geraden meinte man nicht 10% Steigung zu bewältigen, sondern mindestens das Doppelte. Man blieb einfach fast stehen, obwohl man ins Pedal trat! Kalt war es noch dazu, nur noch 10 Grad Celsius sagten uns unsere Polar-Uhren. Doch irgendwann zeigte der Pass sein Gesicht, sein vorläufiges Ende mit dem “Fuschertörl” auf 2405 hm. Einmal in Sicht, konnte der Pass nur noch verlieren. Hier oben war es empfindlich kalt, aber wirklich nur durch diesen extremen Wind. Um auf den höchsten mit dem Rennrad befahrbaren Punkt zu gelangen, hieß es auf die Edelweißspitze hinaufzudrücken, radeln kann man da wirklich nicht mehr sagen.

Extrem steil, mit Pflaster versehen, wie das Val di Tremola, waren diese restlichen Höhenmeter nochmal richtig anstrengend. Die Straße total schmal, machten wir uns richtig breit, denn der Wind zog uns mal nach links und mal nach rechts, und die Autos wollten überholen, was jedoch aufgrund der Enge und Steilheit sehr gefährlich war. In 2577 hm stärkten wir uns, und es gab trockene Klamotten aus dem Rucksack.
Doch der Berg war noch nicht fertig mit uns. Vom Fuschertörl ging es weiter bergauf zum Mittertor 2373 hm, danach wieder kurz bergab, und der letzte Kick folgte, immer noch mit Gegenwind, zum Hochtor auf 2505 hm. Schilder warnten uns vor den Murmeltieren, die die Straßenseite wechseln, doch leider hörten wir sie nur von der Ferne, sie nehmen Reißaus vor den vielen Motorradfahrern und verstecken sich hoffentlich weitab vom Touristenstress.
Den Hut ziehen wir vor den Reiseradlern, von denen wir heute nicht wenige überholten. Diese schoben ihre sehr schwer aussehenden Räder teilweise den Pass hinauf. Kompliment!
Die Abfahrt war ein Gedicht an Straßenqualität: kein Loch, kein Stein, man konnte es einfach rollen lassen. Bis zum Abzweig zur Franz-Josefs-Höhe ließen wir die Bikes laufen, um dann zu entscheiden, dass es weiter talwärts gehen sollte. Die Vernunft siegte, denn die drohenden Wolken über uns prophezeiten die Richtigkeit der Wetteransage mit Gewitter am Nachmittag und in der Nacht. Es ging weiter bergab durch Heiligenblut bis nach Winkler, die Straße zog sich talwärts, nach wie vor mit extremem Gegenwind. Mein "Moped" Stefan, immer größtmöglichen Windschatten bietend, radelte mit Speed von ca. 30–40 km/h vor mir her. Im Hexenhäusl am Jungfernsprung gab es noch mal einen Milchkaffee zur Stärkung, und ab da suchten wir Quartier.
Dies sollte heut’ nicht ganz so einfach werden, unser Quartierengel konnte uns nicht so recht über die hohen Berge folgen, geschweige denn vor uns her eilen, um eine nette Bleibe zu finden. Am Iselsberg im Mopedhotel gab es für uns das letzte Zimmer, naja, es war wirklich das letzte Zimmer – unser Quartierengel muss morgen definitiv früher aufstehen. Eigentlich sollte morgen der Ruhetag sein, aber nicht in diesem Hotel – es geht weiter. Auf jeden Fall kann man die Großglocknerstraße für Radler einfach nur empfehlen, gigantische Ausblicke, tiefe Täler, Bergriesen rings um uns, große Wasserfälle, schneebedeckte Gipfel, dunkle, schwarze und leidende Gletscher, eine bizarre Bergwelt. Es ist nicht einfach ein Pass, sondern eine Hochalpenstraße, die wirklich lange in den Höhen verweilt und mit ihren Stichstraßen die Bergwelt genießen lässt. Dafür haben wie die Autos gerne in Kauf genommen.
6:15 Std., 106 km, 17,0 km/h, 2600 hm

4. Tag, 13. 8.: Nachdem wir heute das Streichergebnis der Quartiere auf unserer Tour hatten, machten wir uns früh auf den Weg. Das Hotel “Iselsberger Hof” ist für Radfahrer absolut nicht empfehlenswert, die Unfreundlichkeit in Person. Hier begegnet man nur Menschen, die mit großen Maschinen anreisen und genügend PS mitbringen. Eigentlich war heute ja ein Ruhetag geplant, aber wir wollten diesen Ort einfach schnell verlassen. Nach einem Null-acht-fünfzehn-Frühstück ging es im Schuss bergab bis nach Lienz. Hier erfuhren wir wieder Freundlichkeit, als ein radelnder Rentner uns mit Karte und suchendem Blick sah. Er wies uns den Weg, und schnell fanden wir die richtige Taleinfahrt. Doch kurz darauf der Schock! Ein großes Schild: “Pustertaler Höhenstraße gesperrt ab km 6,2 wegen Murenabgang!”

Wir überlegten hin und her. Auf der vielbefahrenen Bundesstraße wollten wir nicht bleiben, jedoch auch keine Höhenmeter einbüßen. Mit den Rädern kommen wir bestimmt irgendwie durch, also wurde für den Berg gerüstet, und los ging die Schinderei. Wer denkt, dass diese Panoramastraße einfach zu fahren ist – weit gefehlt. Die ersten Kilometer gingen immer mit 10% und mehr den Berg hinauf. Doch oben wurden wir belohnt, immer am Berghang gelegen, tief unter uns der große Verkehr, konnten wir auf die Lienzer Dolomiten blicken, leider tief verhangen in Wolken und Nebel. Die Straße wand sich nach oben, um hinter der nächsten Kurve genauso steil wieder abzufallen. Oft war ich gar nicht froh über diese Abfahrten, denn diese bedeuteten ja erneute steile Anstiege. Dann das Schild: “Straßensperrung wegen Murenabgang” – es gab keine Straße mehr, aus einem mindestens 4 Meter großen Loch schaute ein Bagger raus. Nach kurzer Frage an die freundlichen Bauarbeiter durften wir vorsichtig diese Passage überqueren, sie hatten Mitleid und wir mussten nicht zurück.

Einige Kehren weiter traf uns dann die Regenfront, es sah aus, als ob es heute nicht mehr aufhören würde. Nach kurzer Rast und Schutzsuche an einem Heustadel machten wir uns wasserdicht und nahmen die weiteren Kilometer der Höhenstraße unter die Räder.

Doch so wie der Regen kam, so schnell hörte er wieder auf. Aus der gestrigen Erfahrung heraus und nach dem heute eigentlich geplanten Ruhetag kehrten wir ein ins Hotel “Pfleger” in Anras. Wir kultivierten unsere schmutzigen Regensachen und genossen den Nachmittag, der unverhofft wieder Sonnenschein brachte, im Liegestuhl mit Blick auf die Berge.
Unsere gestressten Glieder durften sich ausruhen. Ein Spezialitäten-Essen rundete den schönen Abend ab, und wir genossen eine ruhige Nacht in kuschelweichen Betten.
2:45 Std., 45 km, 1235 hm, 15,4 km/h

5. Tag, 14. 8.: Genauso gut wie das Hotel war natürlich auch das Frühstück. Alles, was das Herz begehrt. Wenn wir noch ein Zimmer für eine weitere Nacht bekommen hätten, wären wir dageblieben. Von Anras aus ging es zuerst mal nur bergab bis zum Abzweig des Kartitscher Sattels (1525 m), welcher sich mit rundem Tritt fahren ließ und nicht so ruppig war wie gestern die Pustertaler Höhenstraße. Heute ließ die Sonne uns wieder schwitzen und der Schweiß tropfte stetig von der Nase auf das Oberrohr hinab. Sehr verkehrsarm war die Karnische Dolomitenstraße, und wir genossen die Ruhe und konnten sogar zu zweit nebeneinander hinauffahren.

Nicht ganz so schroff wie gestern zeigten sich hier die Berge, obwohl zwischendrin in Blickrichtung Italien schon ab und zu ein Hauch Dolomiten durchkam. Ein stetiges Bergauf und Bergab fraß so langsam die Körner aus den Beinen. Wir meinten immer, über diesen kleinen Gegenanstieg kann man mal eben so schnell wie beim Veloclub drüberdrücken. Doch weit gefehlt, die Höhenmeter der letzten Tage zeigten uns ganz schnell, das dies heute nicht mehr geht. Ab Mauthen fanden wir den Einstieg zum Gail-Radweg, welcher immer entlang des Flusses Gail, perfekt ausgeschildert und asphaltiert, für uns 50 km das Tal hinaus lief. Vom Radweg aus ging es dann wieder kräftig hinauf bis nach St. Stefan. Ganz schmal lief das Band durch den Wald, wir waren immer gefasst, daß es hinter der nächsten Kurve in Schotter übergeht. Hier sah es aus, als ob schon lange kein Auto mehr gefahren wäre. Doch kurz darauf standen wir schon am Einstieg zur Windischen Höhe.
Laut Karte ein heftiges Sträßchen. Hinüber ins nächste Tal ging es laut Schild dann mit 18% auf 2,8 km Länge. Sehr respektvoll betrachteten wir den Anstieg von unten, doch einmal drin, war es gar nicht mehr so schwer. In der Hälfte der Windischen Höhe fanden wir den Gasthof “Gailtaler Hof”, in dem wir nun auch nächtigten. Die Einheimischen saßen alle draußen im Gastgarten – dies sei ein gutes Zeichen, sagte man uns.
Das Essen war beste österreichische Küche und hat herrlich geschmeckt. Jetzt gibt es gerade einen Eispalatschinken mit Schokosoße und Sahne! Mhm, Radlernahrung :-)
Durch drei Bundesländer Österreichs hat unsere Tour uns bisher geführt, nach Salzburg und Tirol befinden wir uns zurzeit in Kärnten. Für morgen liegt die Anfahrt zu den Nockbergen vor uns, welche ein absolutes Highlight sein sollen. Doch die Wettervorhersage ist extrem schlecht, schau’n wir mal.
5:22 Std., 118 km, 1410 hm, 22,0 km/h

6. Tag, 15. 8.: Nach einer unruhigen Nacht, die mit einem Sturm einherging, den wir so beim Radeln noch nicht erlebt haben - entwurzelte Baume auf der Straße, Blitzeinschläge und immer wieder Donner und Regen, zeigte uns der Horizont am frühen Morgen Sonne und blauen Himmel mit dunklen Wolken. Dies ließ die Hoffnung keimen, die wenigen Kilometer zum erhofften Tagesziel vor die Nockberge doch zu schaffen. Unser Wirt hatte auch kein Zimmer frei, so mussten wir weiter. Zuerst jedoch gab es wieder ein Frühstück vom Feinsten, n dieser Beziehung ist Österreich natürlich doch noch ein wenig vor Italien und Frankreich einzuordnen.
Wir saßen mit unseren Rucksäcken geschultert beim Wirt, als es wieder anfing zu schütten. Also hieß es weiter warten. Kurz darauf ließ der Himmel hoffen und die Sonne kam hervor, und so nahmen wir den restlichen steilen Berg der Windischen Höhe unter die Räder. Sie ist wirklich extrem steil über längere Passagen hinweg. Oben angekommen, verleitete uns der Sonnenschein am Berggasthof zu einem nachgezogenen Frühstückskaffee. Die Straße trocknete kurz an, doch das Grollen am Himmel mahnte uns zur Eile, da auch hier keine Zimmer mehr frei waren. Die ersten Tropfen ließen uns die Abfahrt hektisch unter die Räder nehmen, das Donnern und die näher kommenden Blitze verlangten Respekt. Leider waren es nicht nur die 12 km Abfahrt, sondern auch die üblichen giftigen Gegenanstiege, welche uns deutlich aus dem Sattel trieben. Wir waren daher nicht nur von außen, sondern auch unter den Regenklamotten nass. Zum Glück suchten wir das Heil in der Flucht, und in Paternion, nach ca. 2,5 Stunden Warten auf Besserung, ein Zimmer. Dies erwies sich als total richtig. Es gewittert nun schon seit heute morgen, verbunden mit den ergiebigsten Dauerregengüssen, die wir auf unseren Touren bisher erlebt haben. Ein Gewitter folgt dem anderen und so haben wir heute den Tag bei Olympia mit Ausruhen verbracht. 50 min., 16,2 km, 20,4 km/h, 350 hm.
Nachtisch: typisch Kärntner Eisreindling und ein supergeiler Eispalatschinken :-))) hmmmm!

7. Tag, 16. 8.: Als wir heute von den Kirchenglocken geweckt wurden, regnete es immer noch. Aber auch diese Zimmer mussten geräumt werden, und dazu gab es heute das schlechteste Frühstück der Tour. Etwas widerwillig und mutlos schnürten wir unser Ränzel und starteten mit nassen Straßen und kühlem Wind. Gleich nach Paternion ging es wieder über die Drauböschungen, einen ziemlich hohen Höhenzug, hinüber zum Millstätter See. Nicht nur das schlechte Wetter, auch eine Straße, die auf gut 2 km Baustelle war, nicht mehr asphaltiert und aufgrund der starken Regenfälle der Nacht auch fast weggeschwemmt, ließen die Stimmung weiter sinken.
Nach der Abfahrt zum Millstätter See zog sich die Straße über Radentheim und Bad Kleinkirchheim stetig bergan Richtung Nockberge. Hier begleitete uns reger Autoverkehr, und wir hatten schon Angst, daß dies den ganzen Tag so bleiben würde. Doch das schlechte Wetter brachte heute ein Gutes für uns: viele Motorradfahrer waren aufgrund der Unwetter bestimmt zu Hause geblieben, und wir hatten ab Bad Kleinkirchheim die Straße wieder fast für uns. Noch dazu zeigten die Wolken wieder mehr blaue Flecken und ließen es immer freundlicher werden. Doch der kalte Wind, der uns seit dem Glockner begleitete, zog leider nicht von dannen. Ab der Mautstation zur Nockalmstraße hatten wir den Weg ganz allein für uns.
Sanfte Höhen, romantische Almen, klare blaue Bergseen und wieder einmal wundervolle Begegnungen erfuhren wir entlang dieser Bergstraße. Die Hügel sahen wirklich aus wie hingestreute Nocken, grün - tief dunkelgrün bis oben hin auf die Gipfel, aber baumlos.

Etwas weiter unten fangen dort dann die uralten Zirben- und Almrosenbestände an. Eine Natur, so schön und unberührt, wie wir sie wirklich selten gesehen haben. Vor ca. 25 Jahren haben hier die Kärtener Bürger einen Volksentscheid zugunsten der Natur getan, Sie sprachen sich gegen die Super-Ski-Schaukel und für den Nationalpark Nockberge aus. Mann, sind wir froh, das die Menschen so entschieden haben. Trotz der sanften Höhen waren die zu erstrampelnden Asphaltkilometer ordentlich anspruchsvoll. Oft zwischen 10% und 12%, ließen sie uns den eiskalten Wind nicht so kalt erscheinen – wir fuhren noch immer im Kurzarmtrikot nach oben. Auf 1720 m kehrten wir ein, in die Prießhütte, eine urige Almhütte, wo wir uns stärkten und mit dem Wirt ins Gespräch kamen.

Dieser kannte Adelsried sehr gut, und wir konnten nur wieder staunen, wie klein doch die Welt ist. Bereits wieder auf dem Rad bergan überlegten wir noch, ob wir hier vielleicht hätten schlafen sollten, passierte das Malheur der Tour. Im Stand fiel ich um, auf meinen Sattel und dieser brach der Länge nach fast auseinander. Sch..., was tun? Notdürftig mit Hansaplast geflickt, hielt er die letzten Meter bis zur ersten Passhöhe an der Glockenhütte. Dort trafen wir auf einen sehr hilfsbereiten Wirt, welcher uns mit einem starken Klebeband versorgte, das den Sattel provisorisch festigte.

Danach verspürte ich fast keinen Unterschied im Fahrverhalten. Einfach toll. Oben mussten wir alles anziehen, was der Rucksack hergab, und nicht zum ersten Mal auf dieser Tour waren wir froh über unsere kurzen Regenhosen, welche absoluten Windschutz bieten. Geschwind ging es bis zur Hütte Karlsbad auf 1693 m hinab, und wieder begann die Fahrt nach oben mit weiteren tollen Eindrücken. Teil zwei unterschied sich nicht in der Schwere des Anstiegs, aber wir waren noch weiter drin in den Nocken, und daher gab es noch schönere Blicke. Wohin das Auge schweifte, grüne Hügel, dahinter schroffe große hohe Berge, in denen tiefblaue Wolken hingen.
Ein Bild ohne störende Zivilisation, die nur durch das Teerband und die vereinzelten Hütten bewusst wurde. Sonst gab es nichts als Ruhe, die nur von Murmeltierpfiffen und Habichtschreien unterbrochen wurde. Erneut auf 2042 m an der Eisentalhöhe war es jetzt empfindlich kalt, und wir machten uns sofort im Komplettdress auf die Abfahrt. Mensch, haben wir uns lange Handschuhe gewünscht. Vorbei an weiteren Almhütten ließen wir die Räder jedoch bis Innerkrems laufen, um dann im Alpengasthof “Hutmannshaus” Quartier zu beziehen. Neu hergerichtete Zimmer, neue Bäder – sogar mit Handtuchtrockner – ließen es uns richtig gutgehen. Die Gaststube war herrlich gemütlich, zum Anlehnen hingen große Schaffelle über die Eckbänke verteilt, es war warm beheizt und so richtig einladend.
Jetzt schlafen wir auf 1550 m, und es steht kein Kirchturm in der Nähe!
5:22 Std., 80 km, 15,3 km/h, 2500 hm, 7 Grad Celsius Minimum

8. Tag, 17. 8.: In Innerkrems heute auf 1550 m gestartet, die beste Unterkunft der Tour gehabt, ging es wieder mal gleich steil bergan. Hier muss man wirklich um jeden Nock fahren bzw. teilweise natürlich auch darüber. An der Dr.-J.-Merl-Hütte ging die Straße in ein wunderbares Hochtal über.
Wir radelten immer entlang eines kleinen plätschernden Bächleins, welches heute das erste Mal wieder, nach den schweren Unwettern, eisblaues klares Wasser zeigte, mit weißen Gischtkronen, die sich gurgelnd über die Steine im Bach legten. Wir waren ganz allein. Hoch über den grünen Nocken zeigten die höheren Berge, daß es heute Nacht empfindlich kalt war, sie trugen alle einen weißen Zuckerhut.
Auf der Abfahrt empfanden wir fast ein wenig Wehmut, diesen wunderbaren Naturpark jetzt verlassen zu müssen. Doch schnell hatte uns die Zivilisation wieder, als wir einbogen auf die Radstädter Tauernpassstraße. Über den Twenger Talpass, der nicht beschildert war und den wir sozusagen geschenkt bekamen, lief es recht human ansteigend bis zur Passhöhe auf 1739 m nach Obertauern. Von der Natur pur kommend, konnten uns natürlich die mit Liftanlagen vollgebauten Berge nicht gerade begeistern. Also ging es schnellen Trittes weiter bergab nach Radstadt, um schnell diesen vielen Verkehr hinter uns zu lassen und in die Dachsteinstraße einzubiegen. Hier gab es dann noch ein Highlight für uns zum Abschluss. Wir fuhren immer in Richtung Dachstein (3295 m), und dieser lag majestätisch über allem thronend direkt vor uns. In Filzmoos gab es in einem ganz urigen Gasthof noch einen zünftigen “Beckenbauer” (Rätsel des Tages) und Heike wurde von einem Esel angeknabbert.

Von dort ließen wir die Blicke schweifen zu unseren nächsten Wanderzielen – zur Bischofsmütze (2458 m), wobei man die Mütze ganz klar erkennen konnte. Hierher zum Wandern kommen, werden wir bestimmt einmal – die Gegend im Angesicht des Dachsteins lädt einfach dazu ein.
Unser Ziel hieß heute Ramsau, doch falsch gedacht, wenn wir beide Orte auf der Karte nur mit 50 hm Unterschied hatten, es ging nochmals streng bergan, um dann direkt unter den steilen Flanken dem Dachstein ganz nah zu sein. Er lag majestätisch über uns. In der nächsten Kurve hing dann der erste Hinweis auf die “Trans Austria” im September, deren Spuren wir ja vorausfahren.

Genau in dieser Kurve fuhren wir über die Grenze in unser viertes Bundesland Österreichs, in die Steiermark.
Eine Minute später hatten wir auch unser heutiges Quartier gefunden, es lag nicht in Ramsau, sondern direkt am Berg. Eine kleine schnuckelige Pension “Barlbauer”, mit schönem Ausblick in die umliegenden Täler, ließ uns anhalten und umkehren. Hier gab es für uns ein Zimmer mit Ausblick, Heikes Sattel wurde erneut verklebt für die morgige Tour.
5:10 Std., 102 km, 21,9 km/h, 1610 hm

9. Tag, 18. 8.: Nach der üblichen Morgenzeremonie fuhren wir die restlichen Kilometer nach Ramsau und konnten nochmals das Dachsteinmassiv in voller Größe und Schönheit bewundern.
Über Haus, immer am Ennsradweg entlang, fanden wir schnell den Einstieg über Pruggern, Richtung Sölkpass. Unser Weg führte uns heute über die Holzstraße, noch immer in der Steiermark. Kurz vor dem Einstieg wurden wir jedoch jäh gestoppt und mussten 20 Minuten Wartezeit in Kauf nehmen, aufgrund Baumfällarbeiten. In der Wartezeit gesellten sich drei Reiseradler zu uns, und es gab das übliche Hallo, wohin geht die Reise, woher kommt ihr? Das Übliche halt. Der Anstieg zog sich sehr lange durch das Sölktal, immer flach am Talboden entlang, majestätisch erhoben sich die grünen Berge rechts und links, und wir fragten uns oft, wo führt die Straße hin und wo lauern wohl noch die restlichen Höhenmeter?
Das Tal wurde immer enger, die Berge hinten im Rund standen da wie Riesen, wo war die Passstraße? Dann auf einmal sahen wir hoch über uns ein Wohnmobil, und uns schwante Böses, richtig, dort oben zog sich das Teerband durch die Flanken. Die letzten vier Kilometer machten den Großteil der Höhenmeter aus, und Heike ging es heute da rauf gar nicht gut. Der Sölkpass liegt auf 1790 m und ist ein uralter Saumweg, den es schon vor der Zeit Christi gab. Hier wurde das Salz über die Berge gebracht. Heute ist das Sölktal ein absolutes Landschaftsschutzgebiet, und selbst die Motorradfahrer werden aufgefordert, leise und langsam zu fahren, sonst droht ihnen ein absolutes Motorradfahrverbot für diesen Pass.
Erst 1976/77 wurde die Straße so weit ausgebaut, daß sie komplett geteert befahrbar ist. Die Abfahrt vom Sölkpass war extrem schlecht, und wir konnten uns lebhaft vorstellen, wie schwer die Auffahrt von dieser Seite gewesen wäre.
Wesentlich kürzer ist hier der Pass und etwas steiler. In der Kreuzerhütte machten wir Rast und konnten dem Smalltalk zweier Einheimischer lauschen. Wir hatten den Eindruck, die zwei sind noch mit den Kraxen über die alten Saumpfade gelaufen und haben Waren geschmuggelt. Nach unserer Pause ließen wir es bis nach Schöder dick eingepackt laufen und fuhren in der letzten Kurve der Abfahrt direkt auf den Friedhof zu – ein komisches Gefühl war das.
Danach zog sich die Straße bis nach Murau immer mal hoch und mit geringen Höhenmetern wieder nach unten, aber wieder hatten wir diesen extremen Gegenwind, der uns schon die ganzen Berge über begleitete. Wie immer lief mein "Moped" vor mir rund, und ich war froh, dass ich im Windschatten folgen konnte. Ab Murau folgten wir dem Mur-Radweg, doch diesmal nicht in Fließrichtung, sondern erstmals auf unserer Tour entgegengesetzt zum Fluss, was natürlich, dem Gesetz der Natur entsprechend, wieder bergauf fahren hieß. Jetzt sitzen wir zwar bei abendlich frischen Temperaturen im Murtaler Hof bei Kerzenschein noch auf der Terrasse, beim Bierchen und Sauergespritzten, doch einen erholsamen Schlaf haben wir uns auch heute redlich verdient.
5:20 Std., 112 km, 21,2 km/h, 1490 hm

10. Tag, 19. 8.: Eigentlich haben wir heute gedacht, dies ist unsere “Tour de Rollheur”, und wir wollten schon die Champagnergläser auspacken, doch hatten wir noch zwei “Bergwertungen” vor uns. Gleich in Stadl an der Mur fanden wir schnell den Einstieg zur “Flattnitz-Höhe” (1400 m). Die Steigung ließ sich rund und einfach treten und führte uns auf ein wunderbares Hochplateau mit herrlichen Wiesen und Moorlandschaften.
Ich glaube, an diesen Anstieg haben uns gerade mal drei oder vier Autos überholt. Von dort aus ging es noch einsamer auf einer herrlichen Abfahrt hinab ins Glödnitztal. Hier kam es uns echt vor, daß das Tal absolut verschlafen und vergessen ist. Die Wiesen waren frisch gemäht und überall roch es nach Heu.
Eigentlich dachten wir, es ginge nun so dahin bis Feldkirchen in Kärnten, doch falsch gedacht – ein Hügel war noch eingebaut, den die Karte verschwieg, der aber nicht ohne war.
Im dichten grünen Wald zogen die Kehren ihre Bahn, und immer höher ging es hinauf. Kurz vor der Passhöhe, die keinen Namen kennt, kam mir Stefan entgegen und sagte nur: “Das was jetzt kommt, entschädigt für die Quälerei” - und wirklich, um die nächste Kurve rum hatten wir eine gigantische Aussicht.

Unter uns tief dunkelgrüne, satte Täler und dahinter mächtig und schroff die Karawanken, die Österreich von Slowenien trennen. Dort unten, tief im Tal, lag irgendwo unser Ziel. Um näher am Bahnhof zu sein, hatten wir kurzfristig umgeplant und als Endziel Ossiach am Ossiacher See angesteuert.

Von dort ging es, immer am linken Seeufer, Richtung Villach. Hier fanden wir nach längerer Suche Quartier und ließen unseren letzten Abend bei Livemusik ausklingen.
Morgen müssen wir früh aus den Federn, denn unser Zug fährt um 8.10 Uhr, und wir hoffen den Bahnhof schnell zu finden.
5:00 Std., 100,2 km, 20,4 km/h, 1240 hm

Unser Fazit für diese Tour ist ganz einfach: „Warum immer weit reisen, wenn das Schöne liegt so nah …“